Micro Moments und die kurze Aufmerksamkeitsspanne des Menschen – das Leben ist, besonders im Social Web und aus gutem Grund, immer granularer geworden und es wird für uns Marketer nicht leichter, die Aufmerksamkeit und das Interesse unserer Zielgruppe zu gewinnen.
Wenn es um digitale Kommunikation geht ist „keep it short and simple“ ein oft gelesener Tipp. Diesen wörtlich zu verstehen ist eine gute Taktik, denn immer häufiger sind Online-Inhalte schlicht zu lang, um sie etwa beim Durchscrollen des News-Feeds gleich vollständig zu konsumieren. Nutzer überfliegen ihn nur, ohne seinen eigentlichen Nutzen entdeckt zu haben – und ohne uns (z.B. in Form einer Empfehlung) für unsere Mühen zu belohnen.
Sogenannter Micro Content hilft, um Nutzern auf einen Blick den Mehrwert unseres Contents zu vermitteln und sie dadurch zu einer Aktion (ergo Conversion) zu bewegen.
Du erfährst in diesem Beitrag,
- was Micro Content Formate ausmacht und warum sie wichtig sind,
- warum es sinnvoll ist, Micro Content in eine bestehende Content-Strategie zu integrieren,
- welche Ziele du mit Micro Content erreichen kannst und welche Kriterien er erfüllen muss,
- welche Tools und Ressourcen dir helfen, Micro Content zu erstellen.
Micro Content Definition – Was heißt das überhaupt?
„Micro“ bedeutet grundsätzlich, dass es sich um etwas Kleines handelt – zumindest kleiner als gewohnt oder in Relation zu etwas anderem. In Bezug zu Micro Content ist damit grundlegend die kleinste bzw. singuläre Content-Einheit gemeint – sei Text, Bild oder Video.
Wobei wir Text in diesem Fall noch konkretisieren müssen, denn ein Aufsatz ist natürlich kein Micro Content. Ein Absatz, ein Zitat oder auch eine Headline hingegen schon. Denn speziell letztere lässt sich beispielsweise gut als Tweet-Text nutzen und erfüllt damit ein wichtiges Kriterium von Micro Content. Aber dazu später mehr.
Ein anderer, uns seit Jahren bekannter visueller Micro Content ist der Trailer eines Blockbusters. Obwohl auch dieser noch weiter, etwa in einzelne Bilder, zerlegt werden kann, ist er im Vergleich zum eigentlich Film nur ein kleines Fragment. Doch gerade als solches erfüllt ein Trailer eine weitere zentrale Aufgabe des Micro Contents: Er macht Appetit auf mehr.
Oder bist du noch nie ins Kino gegangen in der Hoffnung, dass der Film hält, was der Trailer verspricht?
Randnotiz: Natürlich sollte der Film, genauso wie unser Micro Content diese Erwartungen auch erfüllen! Ansonsten sind wir enttäuscht, gehen nie wieder ins Kino und geben allen weiteren Filmen dieses Produzenten auch in Zukunft keine Chance mehr. Naja … so ähnlich.
So ähnlich kann ich es aber auch beim Content Marketing passieren, also überleg dir gut, welche Erwartungen dein Micro Content weckt.
Im Social Web hat Micro Content nicht nur die Aufgabe eines Appetizers. Er muss online auch als selbständiges Content-Format bestehen können – und da sind wir wieder bei der Headline bzw. dem Tweet von oben.
Wir wissen mittlerweile durch eine Fülle von unterschiedlichen Studien, dass die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen auf rund acht Sekunden gerutscht ist.
Zum Vergleich: Selbst ein Goldfisch ist in der Lage sich länger zu konzentrieren, als der Mensch. Aber wer will schon mit einem Goldfisch reden …?
Je schneller es die Botschaft in unser Gehirn schafft und unser Interesse weckt, desto besser. Besonders in Anbetracht des stetig steigenden (Über)Angebots von Web-Content. Viel Zeit, um unsere Zielgruppe zu erreichen, haben wir also ohnehin nicht. Auch in dieser Hinsicht ergibt Micro Content durchaus Sinn.
Kennst du meinen Artikel über Micro Moments? Das dort vorgestellte Konzept basiert auf der Erkenntnis, dass Unternehmen heute viele, kleine und verstreute Möglichkeiten haben, mit potenziellen Kunden in Kontakt zu treten – und diese auch nutzen sollten. Denn genauso schnell, wie der Moment da ist, kann er auch wieder weg sein.
Natürlich gab es auch früher schon verschiedene Touchpoints mit unseren, doch die Zahl der Mitbewerber und der Kontaktmöglichkeiten ist seitdem deutlich gestiegen. Während – zumindest gefühlt – die Zeit, die wir zur Verfügung haben, um all diese (neuen) Touchpoints zu bedienen, eher gesunken ist.
Micro Content: Je kleiner, desto besser?
Der Eindruck, dass immer kleiner der einzige Weg ist, um heute überhaupt noch jemanden online zu erreichen, täuscht. Micro-Formate haben durchaus ihre Berechtigung, genauso wie auch kleine Schritte ans Ziel führen. Aber was, wenn du vor lauter Tippeln dein Ziel vor Augen verlierst und nie ankommst? Oder nicht dort ankommst, wo du eigentlich hinwolltest?
Der Punkt ist, dass auch Micro Content in eine übergeordnete Strategie eingegliedert werden muss, um effektiv wirken zu können. Eher selten ist beim Marketing der Weg das Ziel – nicht beim Content- und auch nicht beim Inbound-Marketing. ;-)
Vor einiger Zeit habe ich dir bereits mein Modell des Content Polygons vorgestellt, das dir hilft, Content für die zielgerichtete Produktion zu strukturieren. Die einzelnen Kategorien dienen jeweils unterschiedlichen Zwecken, die auch unterschiedlich analysiert und anhand individueller KPI bewertet werden müssen. Je deutlicher die Aufgaben pro Content-Stück abgegrenzt sind, desto konkreter können wir den Inhalt auch dahin gehend ausarbeiten.
An dieser Stelle noch tiefer in die (Micro-)Content-Strategie einzutauchen, würde den Rahmen sprengen. Als nächste Lektüre kann ich dir aber den Insider’s Guide to Microcontent von Unmetric empfehlen.
Micro Content ist zwar seinem Anschein nach klein, aber groß in seiner Wirkung. Die notwendige Vorbereitungszeit liegt irgendwo dazwischen. ;-)
In Micro Schritten zum Ziel
Idealerweise steht deine Strategie fest, bevor du auf den Zug des Micro Contents aufspringst. Was genau du mit Micro Content erreichen willst, musst du natürlich trotzdem definieren. Einige bewährte und gut erreichbare Ziele lassen sich jedoch auch allgemein definieren.
- Mit Micro Content sichtbarer werden
Micro Content steht immer im Bezug zu seinem ursprünglichen Content-Asset und ist daher relativ leicht und schnell zu erstellen (lies dir dazu am besten meinen Artikel zu Content-Portfolio-Management durch). Zu mehr Sichtbarkeit trägt er insofern bei, als dass du diesen Content sehr granular und spezifisch für konkrete Ziele, Zielgruppen, Kanäle und Formate aufbereiten adaptieren.
Du kannst aus einem einzigen Blogartikel viele verschiedene Micro-Contents produzieren und im Netz streuen – sei es als Tweets, Social Media Posts oder SlideShare-Präsentationen. Dass diese vielen kleinen Einheiten häufiger gesehen werden, als ein einzelner, großer Beitrag versteht sich fast von selbst. Gleichzeitig macht es den Anschein, als ob du überall und zur gleichen Zeit aktiv bist. Wenn du dir dann auch noch die Mühe machst, jeden Kanal unterschiedlich zu bedienen und zeitversetzt zu publizieren, ist dir mehr Reichweite gewiss. - Durch Micro Content mehr Traffic und Leads generieren
Es gibt so viele Micro Moments, die sich durch Micro Content eröffnen, wer will die nicht gern nutzen? Mit relativ einfachen Maßnahmen lässt sich dein Micro Content zu einem echten Traffic Booster umgestalten, insbesondere durch die Verwendung von Calls-to-Action.
Auch bzw. ganz besonders bei Micro Content ist es sinnvoll, deiner Zielgruppe eine ganz konkrete Handlungsanweisung zu geben – oder zumindest deine Erwartungshaltung in Hinblick auf die Form der Interaktion zu kommunizieren. Verknüpfe zum Beispiel deinen Micro Content wann immer möglich mit deinen Evergreens, um kurzfristiges Interesse in wiederkehrenden Kontakt umzuwandeln. - Mehr Abwechslung durch verschiedene Micro Contents
Micro Content bietet dir einfache Möglichkeiten, mit Formaten, Texten, Farben und Formen zu spielen. Da er eher kurzlebig ist (im Gegensatz zum Evergreen Content, der dahinter steht), kannst du hier viele verschiedene Zugänge ausprobieren und dadurch an deiner eigenen Marke arbeiten. Ob Bilder mit Zitaten, schräge GIFs, Kurz-Videos oder Live-Streamings zu ungewöhnlichen Zeiten – lass deiner Kreativität freien Lauf und lass dich vom Feedback deiner Zielgruppe leiten.
Egal welches Ziel du letzten Endes mit Micro Content verfolgst, vergiss nicht, dass jede Art von Content folgende Kriterien erfüllen muss:
- zielgerichtet auf deine Dialoggruppe
- hilfreich für deine Zielgruppe
- ganzheitliche Informationen, auch wenn sie nur häppchenweise portioniert ist
- leicht verständlich
- auf allen Geräten verfügbar
- einen konkreten Call-to-Action haben
Die vielen Gesichter des Micro Contents
Viele stellen sich, wenn sie das erste Mal mit Micro Content in Kontakt kommen, die Frage, ob dieser immer ausschließlich visueller Natur sein muss. Oder grundsätzlich, was alles als Micro Content gilt.
Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, da – wie schon oben mehrfach erwähnt – Micro Content immer im Verhältnis zu seinem Macro Content steht. Wir können aber durchaus behaupten, dass ein großer Teil des im Umlauf befindlichen Micro Content einen visuellen Schwerpunkt hat. Warum, ist ziemlich einfach erklärt: Der Mensch ist ein visuelles Wesen und nimmt einen Großteil seiner Umweltinformationen durch seinen Sehsinn auf. Visueller Content wirkt einfach.
Hier eine kurze Auflistung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), was alles unter Visual Micro Content (VMC) fällt?:
- Bilder mit oder ohne ergänzendem Text,
- Visualisierungen von einfachen Daten und Statistiken,
- Infografiken,
- Illustrationen, die einen bestimmten Sachverhalt darstellen,
- Icons,
- Animierte Gifs,
- Kurz-Videos
- usw.
Der große Vorteil von Visual Micro Content ist, dass die Botschaft meist binnen weniger Sekunden bei der Zielgruppe ankommt, mit Text allein ist das schwer machbar.
Visual Micro Content beschreibt Inhalte, die in höchstens 30 Sekunden verständlich vermittelt werden. Durch kurze, visuelle, mobile oder interaktive Inhalte wird die Aufmerksamkeit von Usern gewonnen. Sie bestehen zum Beispiel aus Infografiken, Foto-Serien, Mini-Clips oder interaktiven Tools. Gestreut wird Micro Content über Kanäle wie Instagram, YouTube oder Snapchat. Mit rund 64 Prozent des gesamten Traffics sind dabei Videos die beliebtesten Mini-Inhalte in den sozialen Netzwerken.
(Quelle: TWT Blog)
Visual Micro Content: Wie geschaffen für Multi-Channel-Storytelling
Das wohl größte Wachstums- und Entwicklungspotenzial von Visual Micro Content sehe ich beim Storytelling. Im Rahmen einer gut durchdachten Content Marketing Strategie, in der das Unternehmen eine kohärente und interessante Story erzählt, kann Micro Content besonders effektiv arbeiten. Doch wie Doris Eichmeier mal angemerkt hat, fehlt „Visual Storytelling“ insgesamt noch die Bedeutung, die es verdient.
Darin steckt noch viel Potential für Unternehmen. Bislang werden Visuals (Foto, Animationen, Videos etc.) häufig autark und weniger konsequent mit anderen Content-Arten wie Text oder Audio für gemeinsames Storytelling eingesetzt. Für gutes Storytelling sollte man sich aber nicht auf einen Kanal oder eine Content-Art beschränken, man sollte immer die optimale mediale Kombination mitbedenken.
An diesem Punkt verbinden sich die Vorteile beider Konzepte zu einem erfolgreichen Gesamtbild: Visual-Multi-Channel-Storytelling. Das macht nicht nur Spaß, sondern der liefert der Zielgruppe auch einen konkreten Nutzen. Eine Königsklasse, der wir uns erst schrittweise nähern müssen.
Genau aus diesem Grund gehe ich noch einmal einen Schritt zurück und zeige dir einige Tools, mit denen du deinen Content relativ einfach und schnell visuell aufbereiten kannst.
Visual Micro Content – Starter-Kit
Allen voran sorgt The Visual Content Playbook for Social Media Marketing für die nötige Theorie. Dieses E-Book widmen die Verfasser von visual.ly ganz und gar dem Thema Visual Micro Content. Für den praktischen Einstieg sind die folgenden Tools sehr hilfreich:
- Canva
Canva ist eine Browser-App (du musst dir also nichts downloaden), mit der du sehr einfach gut aussehende Grafiken erstellen kannst. Du hast dort eine große Bandbreite an Möglichkeiten, von Infografiken bis zu „normalen“ Bildern für deine Social Media Posts. Such dir ein Template aus, schiebe Bilder, Grafiken und Text hinein und schon kannst du starten. Vieles ist kostenlos verfügbar, lediglich einige Bilder und Icons sind kostenpflichtig. - Pablo
Aus dem Hause Buffer kommt Pablo, ein hilfreicher Dienst, der Bilder für Social-Media-Beiträge binnen 30 Sekunden erstellt– wenn man diesem Versprechen Glauben schenken will. Pablo kombiniert Bilder mit einem Text und Headline. Dabei kannst du auf Stock-Fotos oder auf eigene Fotos im .jpg oder .png-Format zurückgreifen. Neben unterschiedlichen Textfarben und Schriftarten, stehen dir auch Icons zur Verfügung oder du kannst dein Logo mit ins Spiel bringen. - PicMonkey
Auch mit PicMonkey lassen sich tolle Bilder erstellen. Ähnlich wie Canva, bietet es dir eine Pallette an Funktionen kostenlos an, während besondere Effekte ein „Royale Upgrade“ benötigen. Infografiken sind mit diesem Tool nicht möglich, dafür aber hübsche Collagen und effektvolle Bildoptimierung.
Weitere Tools und Tipps, wie du Bilder und Fotos online bearbeiten und erstellen kannst, findest du in meiner Blogartikel-Serie zum Thema Content Design.
- PlaceIt
PlaceIt ist eine nette Spielerei um ein ganz bestimmtes Bild, wie z.B. den Screenshot deines Blogs, auf einen Screen in einem Bild zu platzieren. Vielleicht fällt dir auf Anhieb nichts Konkretes ein, was du damit machen könntest, aber bookmarke dir dieses Toll auf alle Fälle. Früher oder später kommt die geniale Idee bestimmt. - ThingLink
ThingLink ermöglicht es dir Bilder mit multimedialen Inhalten zu verknüpfen. So kannst du deine Infografik mit Statistiken verknüpfen oder Videos in eine Aufbauanleitung einbauen. Ob solche interaktiven Grafiken überhaupt noch unter Visual Micro Content fallen ist bestimmt diskussionswürdig, aber es lassen sich sehr umfangreiche Informationen auf einen Blick. - GIFs
GIFs gibt es im Netz wirklich schon ewig, aber sie erlebten in den letzten Jahren ein echtes Revival. Die kleinen animierten Bildchen mit knackigem Text sind auf Social Media ein Dauerbrenner und daher absolut für unsere Zwecke interessant. Wie du ein GIF selbst erstellst, findest du in dieser Anleitung bei t3n. Darin findest du auch weitere Verweise zu praktischen Tools. - Infografiken
Mittlerweile gibt es wirklich viele Tools, mit denen du – abseits von Photoshop – Infografiken erstellen kannst. Eine gelungene Gegenüberstellung hat Dani Schenker im Zielbar-Blog veröffentlicht – natürlich in Form einer Infografik. Am besten du probierst die unterschiedlichen Tools selbst aus und findest heraus, welches dir am besten liegt und deinen Bedürfnissen zusagt.
Fazit: Micro, aber mega!
Micro Content bietet extrem viele Möglichkeiten, dein Content und Inbound Marketing auf den nächsten Level zu heben.
Lass dich vom Begriff „micro“ aber bloß nicht täuschen, denn auch mit dieser Art von Content hast du – besonders zu Beginn – einiges an strategischer Vorarbeit zu leisten.
Doch es lohnt sich, denn Visual Micro Content kann deiner Online-Präsenz einen ordentlichen Schub geben! Probier’s aus!
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Robert ist Autor des Bestsellers „Content Design“ (Hanser Verlag), unabhängiger Content-Stratege und Gründer dieses Magazins (ehem. „toushenne.de“). Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.