Es reicht nicht, regelmäßig neuen Content zu produzieren.
Das Content-Angebot dominiert schon jetzt die Nachfrage, sodass jeder neue Blogartikel, jede neue Infografik und jedes neue Video eigentlich nur dazu führt, dass unsere eigenen vorhandenen Inhalte an Sichtbarkeit verlieren. Denn je größer das Marktvolumen, desto schwieriger wird es, die Aufmerksamkeit unserer Zielgruppen zu gewinnen.
Vielmehr sollten wir uns genau überlegen, wie wir Content produzieren.
Ich spiele hier zum einen auf den effizienten Einsatz verfügbarer Ressourcen an, zum anderen auf die Auswirkungen, die Content Marketing auf Unternehmen hat bzw. haben kann. Denn wo innerhalb eines Unternehmens um Ressourcen gestritten wird, gibt es Gewinner und Verlierer. Das beginnt in der Regel innerhalb der (Content-)Marketingabteilung, kann aber auch diverse Abteilungen untereinander betreffen.
Welche Budgets stehen für Produktion und Promotion zur Verfügung? Welche Content-Ideen setzen wir um? Welchen Impact haben diese Ideen kurzfristig und langfristig auf unsere Marketing- bzw. Unternehmensziele? Steht uns genügend Personal zur Verfügung, oder müssen wir das Budget zugunsten externer Unterstützung kürzen? Bleib dann noch genug übrig, um diese Ideen umzusetzen?
Ich könnte diese Kette endlos weiterführen, aber das Problem wird so schon deutlich, oder?
Das Problem knapper Ressourcen
Content erfordert Management, egal ob auf Marketing-Ebene oder dem Niveau der Unternehmensstrategie. Denn jedes Unternehmen hat limitierte Ressourcen, sei es Personal, Zeit oder finanzielle Mittel. Das gilt übrigens genauso für Selbständige! Mit diesen Ressourcen müssen wir das Tagesgeschäft abdecken, gleichzeitig aber auch in Neuerungs- und Veränderungsvorhaben (also das, was wir aus der klassischen BWL als „Projektportfolio“ kennen) investieren.
Was genau als Tagesgeschäft bezeichnet wird und wie sich Projekte definieren, erfordert eine Einzelfallbetrachtung. Wirf doch mal einen Blick auf mein Content-Polygon, um zu verstehen, wie unterschiedliche Contents wirken können.
Ein Beispielszenario könnte so aussehen:
- Zum Tagesgeschäft gehören Routine-Aufgaben wie die Publikation von X neuen Blogartikeln im Monat, Y Newslettern und Z Social Media Beiträgen.
- Projekte, also Neuerungs- & Änderungsvorhaben, sind die Publikation von umfangreicheren Contents (Präsentationen, E-Books etc.), die Optimierung vorhandener Inhalte oder auch die Einführung neuer Tools.
Typischer Weise sieht die Ressourcenverteilung aus wie im folgenden Bild, wenngleich diese 20/80-Verteilung zwischen Projekten und Routinen kaum nachvollziehbar ist. Infolge fahren wir uns auf einem bestimmten Niveau fest und lassen Wachstumspotenziale ungenutzt.
Vor diesem Problem stehe ich selbst gerade ... (meine Lösung findest du weiter unten).
Durch den wachsenden Wettbewerb wird die Projektarbeit aber immer wichtiger. Nur leider auch ungemein schwieriger.
Häufig ist eine „Projektinflation“ die Folge, wobei Prioritäten und Ressourcen spontan, und zum Nachteil der Kontinuität, neu festgelegt werden. Die strategische Fokussierung weicht einem unaufhaltsamen Aktionismus und was folgt, ist ein derber Qualitätsverlust oder zumindest ein Wachstumsdämpfer.
Aber warum muss es so weit kommen?
Ein Grund ist vielleicht der, dass wir jedes Projekt einzeln bewerten, ohne die Summe aller Projekte in Hinblick auf ihren Beitrag zur Gesamtstrategie zu betrachten. Eine kontextuelle Betrachtung einzelner Projekte wäre viel sinnvoller.
Ein Beispiel:
Du hast eine grandiose Idee für einen neuen Blogartikel, für dessen Keyword du definitiv in die Top 3 der Suchergebnisse landen wirst.
Das bringt dir zwar neue Besucher, aber inwieweit passt dieses neue Keyword in deine Gesamtstrategie? Das merkst du spätestens dann, wenn du dich schwertust vorhandene Artikel innerhalb dieses neuen zu verlinken. Und inwieweit sind diese neuen Besucher potenzielle Kunden (oder Multiplikatoren)?
Ich habe selbst – aus den Anfangszeiten meines Blogs – einen solchen Artikel im Archiv, der zwar für viel Traffic sorgt, aktuell aber nicht hundertprozentig in meine (im Laufe der Jahre immer wieder angepasste) Strategie passt.
Die entscheidende Frage ist: Wie gehen wir damit um? Wie bewerten wir einzelne Content-Projekte?
Produzieren wir derartigen Content trotzdem, um das SEO-Potenzial zu nutzen und belassen wir solche Artikel im Archiv? Oder bereinigen wir unser Content-Archiv um das Gesamtbild zu konkretisieren?
Kriterien, um Content-Projekte zu bewerten (es gibt sicher noch mehr):
- Die zu erwartende Position in den Suchergebnissen und der daraus resultierende Traffic; abgeleitet in Kennzahlen wie Cost-per-Impression oder Cost-per-Click (im Vergleich zu entsprechenden AdWords-Anzeigen).
- Traffic- & Lifetime-Value-Einschätzungen durch (SEO-)Tools wie bspw. contentbird.
- Die geschätzte Anzahl neu generierter Leads; mittels durchschnittlicher Lead-Conversion-Rate und Customer-Lifetime-Value übersetzt in eine Umsatzprognose.
- Bei bestehenden Inhalten kommen weitere Kennzahlen wie die Interaktionsrate hinzu (Aufenthaltsdauer, Click-Through-Rate, Kommentare, Shares etc.), die wir allerdings nur schwer eins zu eins in monetären Größen ausdrücken können.
Falls du mein Content-Archiv noch nicht so gut kennst, empfehle ich dir einen kleinen Exkurs:
Content-Portfolio-Management als sinnvolle Lösung
Der Portfolio-Ansatz stammt aus der Finanzwirtschaft und beschreibt eine "Planungsmethode zur Zusammenstellung eines Wertpapierbündels (Portefeuille), das, nach bestimmten Kriterien (z.B. Erwartungswert und die Standardabweichung der Kapitalrendite) bewertet, eine optimale Verzinsung des an der Aktienbörse investierten Kapitals erbringen sollte" (Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon).
Im Kontext der Content-Strategie ist das in etwa so zu verstehen: Wir streben ein Content-Portfolio (also die Zusammenstellung einzelner Contents) an, das, nach bestimmten Kriterien bewertet zum optimalen Ergebnis führt.
Welche Kriterien hier zugrunde liegen und wie sich das Ergebnis messen lässt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Denn wie Corey Vilhauer in einem Interview feststellte, ist es unmöglich eine allgemeingültige Content-Strategie für alle zu definieren. Denn jede Person bzw. jedes Unternehmen arbeitet mit unterschiedlichen Voraussetzungen (Strukturen, Ressourcen, Zielgruppen, Plattformen etc.).
Das Konzept eines "Content-Portfolios" als neues Mindset
„Damit Content tatsächlich das gesamte Unternehmen durchwirkt, so zum Medium der gesamten Außenwirkung und Kommunikation und schließlich von der Marketing- zur Unternehmensstrategie wird, braucht es „intelligenten“ Content. Denn nur „intelligenter“ Content kann soweit skalieren, dass die Durchwirkung sämtlicher Seiten und Aspekte des Unternehmens tatsächlich gelingt. „Intelligent“ bedeutet deshalb auch nicht „gut gemacht“ oder gar „gut geschrieben“ (beides ist selbstverständliche Voraussetzung), sondern die technische Anreicherung mit (Meta) Daten und vollständig formatunabhängige Produktion. ... Das zugrundeliegende Prinzip der Mehrfachverwendung von Content ist daher auch nicht neu oder gar revolutionär. Nur ist die Durchführung erheblich konsequenter und zusätzlich datengestützt.“
Hier schließt sich der Kreis in Hinblick auf meinen eingangs beschriebenen Gedanken: Wir dürfen vor lauter „Konkurrenzdruck“ und dem Pflichtgefühl, regelmäßig neuen Content produzieren zu müssen unser vorhandenes Content-Archiv, also unser Content-Portfolio, nicht vergessen. Denn das ist wertvolles „Marketing-Kapital“, das für uns arbeiten kann – sofern wir es richtig anlegen (ergo: unser Portfolio optimal gestalten).
Die Produktion neuer Contents ist ein Aspekt, die Produktion neuer Content-Assets – als modulare Aufbauten vorhandener (Micro-)Contents – ein anderer.
Denn wenn wir Zeit oder vor allem Geld in Content investieren, dann sind das per se keine „Ausgaben“, sondern „Anlagen“. Content hat einen Wert, den wir über die Zeit steigern können, unter anderem durch die mehrfache Verwendung. Da der benötigte Aufwand dabei deutlich geringer ist als der ursprüngliche, steht er meist in einem positiven Verhältnis zum Output, wodurch der ROI unseres Contents steigt. Und zwar pro Nutzung!
Content als Anlagekapital, mit steigendem Wert pro Nutzung
Ich erinnere an dieser Stelle auch gerne an meine Artikel über Content-Recycling und die historische Content-Optimierung (worin ich übrigens genau genommen auch eine Methode zur Portfolio-Analyse beschreibe). Denn innerhalb eines vernünftigen Systems werden diese Aufgaben um einiges angenehmer – und damit auch eher regelmäßig erledigt.
Ähnliche Überlegungen gab es übrigens schon vor Jahren, unter anderem von Lee Odden mit seinem Konzept des modularen Contents:
Verwertungsmöglichkeiten von Content-Assets und Micro-Content
Das Prinzip beruht auf kleinsten „Content Pieces“, die immer wieder neu kombiniert werden. Ähnlich wie bei LEGO ist dabei ist ein festes Raster vorgegeben, innerhalb dessen die Möglichkeiten (fast) grenzenlos sind.
Schau dir mal unterschiedliche Blogartikel von Neil Patel an und du wirst schnell einzelne Abschnitte oder Bilder finden, die er mehrfach verwendet hat.
Aus diesem Mindset leitet sich eine operative Notwendigkeit des Content-Managements ab.
Struktur als Grundlage für erfolgreiches Content-Portfolio-Management
Structured Content ist laut Chief Content Officer, dem digitalen Magazin des Content Marketing Institutes (Ausgabe Februar 2016), eine Form der konsistenten und vorhersehbaren Content-Organisation und Beschreibung (zum Beispiel in Form von Tags). Ziel ist es, (Micro-)Contents innerhalb umfangreicherer Content-Assets identifizieren und allgemein clustern zu können, um sie möglichst einfach zu neuen Content-Assets zusammenzusetzen.
"Think of it as a methodology that enables customers to find your content more easily online and employees to redeploy it more efficiently into multiple formats and media types." – Natalya Minkovsky
Rachel Loving fasst es in ihrem Digital Publishing Report für Razorfish folgendermaßen zusammen:
"Simply put, digital content needs to be free to go where and when people want it most. The more structure you put into content the freer it will become."
Wie eine solche Struktur am Beispiel von Blogartikeln aussehen kann, erkläre ich hier: Die perfekte Blogartikel-Struktur und warum Schreiben mit System wichtig ist.
Zur Struktur zählen in diesem Kontext aber auch ergänzende und wiederkehrende – für den Nutzer teilweise nicht sichtbare – Informationen wie bspw. …
- Artikel-Kategorien und Tags,
- Die Plattform, auf der der Content publiziert wird/wurde (dadurch kannst du schnell Ideen ableiten, indem du Content für neue Plattformen aufbereitest),
- Angaben über die geschätzte Lesedauer (wie z.B. in den Beiträgen von allfacebook.de zu sehen),
- Listen über benötigte Zutaten (z.B. bei Rezepten),
- Informationen über das Schwierigkeitslevel (z.B. bei Bauanleitungen),
- Empfehlungen von hilfreichen Tools.
Welche Informationen du in deinem Katalog aufnimmst, entscheidest du.
Ich empfehle dir auf alle Fälle die Lektüre von Rachel Lovings Artikel über Content Models.
Das "Content-Management"-Missverständnis
Besonders durch so bequeme System wie WordPress wurde der Begriff Content-Management in Mitleidenschaft gezogen. Denn so einfach die Produktion und Publikation neuer Artikel damit von der Hand geht, desto schwieriger, ja im Grunde unmöglich, ist das eigentliche Content-Management auf Micro-Ebene. Artikel werden als Ganzes in einem Editor angelegt, wo auch interaktive Elemente wie YouTube-Videos oder Click-to-Tweets eingebettet werden. Leider können wir diese Micro-Contents nicht ohne weiteres in anderen Artikeln integrieren, ohne zuerst den Originalartikel zu öffnen und per Copy&Paste die gewünschten Informationen. Das wird ziemlich mühsam, wenn wir Micro-Contents aus mehreren Artikeln zusammenstellen wollen ...
Dass es auch anders geht, beweisen "echte" Content-Management-Systeme wie zum Beispiel contao (was auch ich hier für toushenne.de nutze). Neue Artikel lege ich modular an (als sogenannte "Content-Elemente"), sodass ich Bilder, Zitate, interaktive Elemente oder auch Info-Boxen direkt in neue Content-Assets einpflegen kann – ganz ohne Copy&Paste. :-)
Fazit: Portfolio-Managment als Teil der Content-Strategie
Content in Summe als Portfolio zu verstehen und entsprechend zu behandeln erfordert ein Umdenken. Wer Content nicht in seinen kleinsten Teilen versteht und lernt, Synergiepotenziale zu erkennen, wird sich langfristig schwer tun effizient zu skalieren.
Die Wahl der passenden Tools ist dabei nicht unwichtig, aber eben nur zweitrangig. Denn wie heißt es so schön:
A fool with a tool is still a fool.
Ich selbst will mein Content-Portfolio auch langfristig auslegen und nicht abhängig davon sein, wie viele neue Blogartikel ich im Monat publiziere. Daher werde ich mich in den nächsten Monaten darauf konzentrieren, meine vorhandenen Artikel zu überarbeiten. Außerdem will ich neue Content-Formate, vor allem Worksheets und Präsentationen (in persona und digital), ins Portfolio aufnehmen.
Wie denkst du darüber?
Welche Bedeutung hat die Publikationsfrequenz für dich und wie stehst du zu dem Gedanken, Content als Wertgegenstand zu behandeln?
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Robert ist Autor des Bestsellers „Content Design“ (Hanser Verlag), unabhängiger Content-Stratege und Gründer dieses Magazins (ehem. „toushenne.de“). Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.