Vielleicht hattest du schon ein ähnliches Erlebnis: Durch Werbung wird dir ein Produkt oder eine Dienstleistung schmackhaft gemacht und du greifst zu. Schnell stellst du dann aber fest, dass deine Erwartungen nicht befriedigt werden.
Oder eine andere Situation: Du erhältst von einem Unternehmen diverse, nicht zusammenhängende E-Mails und Benachrichtigungen und ärgerst dich über diese chaotische Kommunikation.
In beiden Fällen ist dein Erlebnis als Kunde (Stichwort: Customer Experience) negativ.
Und das schlimmste daran? Du trägst keine Schuld und kannst es nicht ändern!
Das Problem liegt eher an Silos auf Anbieterseite; an Marketing- und Service-Abteilungen, die sich nicht koordinieren.
Leider ist das ein typisches Problem, obwohl die Vorteile in der Zusammenarbeit von Marketing und Customer Service offensichtlich sind…
Ich freue mich sehr, Vlad Koval als Gastautor zu diesem Thema begrüßen zu können. Durch seine Arbeit bei Ahrefs, einem bekannten SEO-Toolanbieter, hat er diesbezüglich viel Erfahrung gesammelt und kann uns erklären, warum Marketer am besten selbst mal im Service arbeiten sollten.
Den Artikel hat er übrigens selbst auf Deutsch geschrieben, denn als erfahrener Success Agent ist er auch sprachlich bewandert. ;-)
Vlad Koval ist Marketer bei Ahrefs und kommt aus der schönen Ukraine. Seinen Hintergrund in Germanistik und die Erfahrung aus dem Customer Care kombiniert er heute mit seiner großen Affinität zu SEO und Marketing.
Was ich nach Tausenden Chats mit Kunden über Marketing gelernt habe
“Wir nehmen dich, du müsstest aber im Customer Success anfangen. Das ist nämlich die Einstellungspolitik für Marketing bei uns”.
Als mir diese Nachricht mitgeteilt wurde, war ich zwar ein bisschen überrascht, habe es aber ruhig aufgenommen. Schließlich hatte ich schon mehr als zwei Jahre Erfahrung im Customer Support und war deshalb für den Job mit all seinen Herausforderungen bereit.
Damals wusste ich auch noch gar nicht, wie heikel die Marketing-Welt ist und dass sie sich wesentlich von der des Webdesigns, in der ich bis dato tätig gewesen war, unterscheidet. Ganz zu schweigen von den Kenntnissen, die man braucht, um auch die einfachsten Fragen mit Sicherheit beantworten zu können. Denn es ging nicht nur um die Funktionalität von den Tools, sondern auch darum, wie sie bei konkreten Zielen und Problemen helfen und um das SEO-Wissen im Allgemeinen.
Du willst mehr zum Thema SEO erfahren?
Nach 7 Monaten als Customer Success Specialist bei Ahrefs habe ich einige Learnings über Marketing und SEO gesammelt, die ich mit dir teilen will:
1. Tritt in den Dialog
Ahrefs ist keine SEO Agentur und bietet Marketingberatung nicht an. Wir machen aber ab und zu kleine Ausnahmen, damit unsere Kunden ein besseres Verständnis davon haben, wie sie unsere Tools anwenden können. Dabei kommen verschiedene Fragen auf, die außerhalb meiner Kompetenzen liegen, beispielsweise “Wie kann ich Traffic auf meine Webseite generieren?” oder “Welcher Umleitungstyp passt hier am besten?”.
In solchen Fällen ist man tatsächlich eher in der Rolle des Customer Success Managers und muss intensiv darüber nachdenken, was der Kunde eigentlich bewirken will.
Auch wenn damit immer eine gewisse Verantwortung verknüpft war, ging ich begeistert solche Anliegen an. Denn ich habe sofort begriffen, wie wichtig dieser Draht zum Kunden ist. Zum einen halten sie mich “fit”, weil ich ständig unterschiedliche Probleme behandele, zum anderen bekomme ich auf solche Weise Erfahrung, die ich kaum woanders gefunden hätte.
Während meiner zahlreichen Chats musste ich unsere Kunden zu verschiedenen Themen beraten, unter anderem technische SEO, Werbung, Content Marketing, Linkaufbau, Outreach, usw.
Im Grunde genommen war das keine Lehrstunde, sondern eher ein lebendiger Austausch. Gespräche mit den Kunden sind eine perfekte Chance, etwas mit auf den Weg zu nehmen.
Wenn man gut zuhört und die richtigen Fragen stellt, schenkt dir jede Chat-Sitzung die Möglichkeit, etwas Neues zu erfahren. Ich versuche daher jeden Gesprächspartner gründlich zu befragen: Was hat er schon versucht? Hat es funktioniert? Was hält er von diesem oder jenem Ansatz?
Diese Informationen helfen mir für jeden Fall eine passende Lösung zu finden und erweitern dabei wesentlich meinen Horizont.
Eine Eigenschaft, die einen guten Marketer von einem schlechten unterscheidet, ist der Wille, sich ständig auf dem Laufenden zu halten und offen für Neues zu sein.
2. Sprich die Sprache deiner Kunden
SEO ist kein Kinderspiel. Sie braucht umfassende Kenntnisse, Erfahrung, Zeit. Und selbst das kann einen sicheren Erfolg nicht gewährleisten. Deshalb tun sich auch viele Gründer, Kleinunternehmer und Marketing-Anfänger damit schwer, was für erfahrene SEO-Praktiker Gang und Gäbe ist. Ich spreche hier sowohl von einer Vielzahl von Begriffen als auch von vielfältigen Konzepten und Methoden.
Hört man von all den “nofollow”, “meta description”, “impresssions” & Co., kann man sich ganz schnell überfordert fühlen. Da geht die Konzentration verloren und man bekommt sogar Angst, diese Dinge nie richtig verstehen zu können.
Meine Aufgabe im Support war es also, unseren Kunden die SEO-Welt möglichst einfach und verständlich zu erklären, damit sie von ihr ein klareres Bild bekommen. Dabei wurde mir klar, welche Wörter oder Aspekte Anfängern am meisten Schwierigkeiten bereiteten und habe mir die folgenden Regeln gesammelt:
- Bleib bei der Sache. Man kann wirklich viel über Linkaufbau-Techniken reden, darf aber sich nicht von dem anfänglichen Thema ablenken.
- Muss ein Begriff erklärt werden, mache es lieber selbst. Nenne genug Informationen, damit der Begriff klar ist und vermeide, auf Artikel und andere Quellen zu verweisen.
- Sei sparsam mit Fachbegriffen. Ersetze schwere durch einfache oder bekannte Wörter.
- Führe Beispiele an. Der Kontext hilft ein besseres Verständnis zu schaffen.
Diese Regeln sind nicht nur in Bezug auf SEO relevant, sondern können auch für andere Bereiche des Marketings bzw. der Kundenkommunikation insgesamt verallgemeinert werden.
Kennst du eigentlich schon mein Kompendium? Schreib mir gerne einen Kommentar, wenn es (Fach)Begriffe gibt, für die du noch vergeblich nach Definitionen und Erklärungen suchst!
3. Jeder Fall ist einzigartig
Wer sich mit Marketing und SEO auseinandersetzen will, muss nicht sehr lange suchen und kann relativ einfach alle nötigen Informationen im Internet finden. Heutzutage gibt es fast zu jedem Thema Guides, Tutorials, E-Books oder (Online-)Kurse. Natürlich muss man die Qualität dieser Lernmaterialien bewerten, aber auch in diesem Sinne ist das Selbststudium nicht mehr allzu schwer.
Trotzdem wird jeder Fall immer einzigartig sein. Das heißt, man sollte nicht alles wortwörtlich nehmen und es blind umsetzen. Bei Guides geht es eher darum, neue Ideen und Anregungen zu bekommen. Man geht also davon aus, dass es nicht hundertprozentig für die eigene Situation passen kann.
Finde ich eine interessante und vielversprechende Methode, die ich noch nie ausprobiert habe, dann kann ich sie nur als Experiment einsetzen.
Genau das brachte ich unseren Kunden im Chat bei. Man muss sich ständig fragen:
- Habe ich genug Erfahrung?
- Habe ich die Zeit?
- Habe ich nötige Ressourcen?
- Lohnt es sich langfristig/kurzfristig?
Mir liefen oft Menschen über den Weg, die versuchten, viel zu mächtige Blogs zu pitchen oder gute Inhalte zu erstellen, ohne sie zu promoten. Im Endeffekt wurden sie enttäuscht und waren verzweifelt.
Wie es keinen einzigen Schüssel zum Glück gibt, gibt es auch keinen zum Erfolg.
Ich empfehle dir, Ideen aus verschiedenen Quellen zu holen, sie gründlich zu analysieren und anschließend Schritt für Schritt auszusortieren.
Richte dich immer nach deinen Umständen und Möglichkeiten, anstatt dich an Guides zu halten.
4. Strukturiere deine Aufgaben
Trotz der endlosen Vielfältigkeit der Szenarien in SEO und Marketing, ähneln sich die Wünsche der Kunden oft: mehr Traffic, höhere Rankings, stärkere Domain Authority.
Diese Ziele klingen zwar einfach, implizieren aber viel Fleißarbeit und eben auch Zeit; ganz abgesehen von einer wohlüberlegten Marketing-Kampagne.
Wir wissen: gute Inhalte helfen Traffic und Leads zu generieren und hochwertige Links erhöhen unsere Chance, die Webseite im Ranking nach vorne zu bringen. Doch was macht einen guten Artikel aus? Wie kommt man an hochwertige Links, wenn man seine Webseite eben erst ins Leben gerufen hat?
Ein erfolgreiches Projekt ist immer ein umfangreicher Prozess, der aus kleinen Zielen und Aufgaben besteht.
Ein kurzes Beispiel:
Sollte ich einen Artikel unter Berücksichtigung von SEO erstellen, würde ich folgenderweise vorgehen:
- Ein gutes Thema finden (Gibt es genug Interesse dafür?)
- Die Konkurrenz analysieren (Kann ich bessere Inhalte als ihre erstellen? Wie haben sie es gemacht?)
- Keywords recherchieren (Welche Schwerpunkte muss ich behandeln? Welche Suchintention haben sie?)
Man darf keinen dieser Schritte überspringen, sonst machen die anderen zwei keinen Sinn mehr.
Aber das ist nur meine Vorgehensweise, es gibt sicherlich noch tausend andere… Ich halte mich für quasi jede Aufgabe, die ich bekomme, an meinen Plan. Auf diese Weise lässt sich der Prozess viel einfacher überschauen und steuern. Und in jeder Chat-Sitzung erklärte ich, wie man den Prozess aufbaut, warum jeder der Schritte wichtig ist und wo man sich sonst noch informieren kann.
Dasselbe gilt für Outreach, Website-Optimierung, Werbung, usw., je nachdem, was für ein Anliegen du hast.
Je klarer der Weg ist, desto sicherer und schneller kommt man ans Ziel.
Fazit: Warum ein Exkurs im Kundenservice Marketern hilft
Marketing und SEO bereiten denjenigen viele Schwierigkeiten, die in diese Branchen erst vor Kurzem eingestiegen sind. Immer mehr Leute spielen mit dem Gedanken, ein Online-Business zu gründen oder haben schon ein Business und wollen (online) noch mehr daraus machen.
Die Zeit, die ich im Kundenservice gearbeitet habe, ermöglichte mir einen Einblick in den Alltag von Nicht-SEO-Experten. Ich habe verstanden, mit welchen Fragen sie sich beschäftigen, wo sie oft nicht weiterkommen und wie sie ihre Probleme lösen. Deshalb nehme ich solche Gespräche immer gerne als Austausch wahr und versuche möglichst viel für mich selbst mitzunehmen.
Generell hilft dieser Kontakt, eine bessere Vorstellung von seinen Kunden zu erhalten.
Um das Vertrauen zu gewinnen, stell sicher, dass deine Worte deinen Gesprächspartner erreichen und ins Schwarze treffen. Es dürfen keine Missverständnisse in den Weg kommen.
Jeder Fall muss eingehend studiert werden, damit ein passender und effizienter Ansatz gefunden werden kann. Verzichte auf Allheilmittel und erarbeite einen individuellen Plan für Erfolg.
Gewöhn dich daran, jedes große Ziel in kleinere aufzuteilen und schrittweise vorzugehen. Dadurch wirst du sehen, wo du fehlschlägst und wie du es verbessern kannst.
Takeaway für Marketer
- Tritt in den Dialog mit deinen Kunden! Ihre Probleme sind der Impuls für deine kontinuierliche Weiterentwicklung.
- Sprich die Sprache deiner Kunden! Verzichte auf Fachbegriffe, die sie nicht kennen und erkläre so viel wie nötig anhand konkreter Beispiele.
- Jeder Fall/Kunde ist einzigartig. Folge nicht blind den Best Practice Beispielen der Branche sondern wäge immer wieder neu ab, welche Voraussetzungen gegeben sind.
- Strukturiere deine Aufgaben. Je klarer der gesamte Prozess, desto eher wirst du dein Ziel erreichen.
Danke Vlad, für diese Einblicke!
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Robert ist Autor des Bestsellers „Content Design“ (Hanser Verlag), unabhängiger Content-Stratege und Gründer dieses Magazins (ehem. „toushenne.de“). Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.