Noch lange vor dem Erlernen des Sprechens, des Lesens und des Schreibens lernt der Mensch zu spielen und so seine Umwelt spielerisch zu begreifen. Diesen Spieltrieb können Unternehmen für die Kundengewinnung nutzen, wenn es ihnen gelingt, Spielmechanismen und fachliche Inhalte im Content Marketing sinnvoll zu verbinden.
Content Marketing zielt unter anderem darauf ab, potenzielle Kunden im Kaufprozess zu unterstützen. An die Stelle von Produktversprechen treten dabei fachliche Expertise, Beratung und Unterhaltung. Wobei die Unterhaltung – besonders im B2B-Bereich – häufig dazu dient, fachliche Inhalte und Botschaften spielerisch zu vermitteln. Gamification ist das Stichwort …
Dieser Artikel ist unter anderem Anja, einer begeisterten Leserin, gewidmet, die sich explizit B2B-Marketing-Tipps gewünscht hat. Geschrieben haben ihn Tanja Josche und Sascha Tobias von Hirschfeld, die damit ihren dritten Gastauftritt bei toushenne feiern. Zuvor schrieben sie über den schlanken Einstieg ins Content Marketing, sowie Marketing-Automatisierung. Viel Spaß beim Lesen! ;-)
Als Gamification bezeichnet man die Anwendung spieltypischer Elemente und Prozesse in einem spielfremden Kontext. (Quelle: Wikipedia)
Dabei geht es keinesfalls um bloße Spielerei, denn sogenannte Gamification verfolgt im Marketing ein klares unternehmerisches Ziel: Sie soll verkaufen. Mit Spielen lässt sich das Customer Engagement in verschiedenen Bereichen deutlich steigern, wie die folgenden Zahlen zeigen:
Quelle: concur.com
Im Spiel ist der Mensch auf der Jagd nach dem 'Besseren Ich'. Selbst wenn es selten direkt als solche erkannt wird, geht es hier um Effektivität & Produktivität. Wir wollen ein Spiel smarter beenden, als wir es begonnen haben. Hier erkennt man die spannende Übereinstimmung zwischen Gamification und Content Marketing: Wie bereits erwähnt tritt im Content Marketing an die Stelle von Produktversprechen fachliche Expertise, Beratung und Unterhaltung. Auch der Adressat des Content Marketing soll dank des eigenen Contents smarter werden. Beide Bereiche zielen somit auf ein ähnliches Resultat ab. Es gilt nun die beiden Stärken der jeweiligen Ansätze an einen Tisch zu bringen.
– Roman Rackwitz, Engaginglab GmbH
Spielerisch Wissen vermitteln
Die Vermittlung von fachlichem Wissen spielt im B2B Content Marketing eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, Kaufentscheidungen zu fördern. Auch wenn wir heute annehmen, dass 95% aller Kaufentscheidungen unterbewusst entstehen1, so brauchen Entscheider in Unternehmen doch entsprechende Fachinformationen, um Entscheidungen rational zu treffen und diese im Unternehmen zu rechtfertigen.
Spielerische Ansätze zur Wissensvermittlung werden in der Fachwelt als „Serious Games“ bezeichnet. Was dahinter steckt, erklärt Maximilian Schwenk vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) in diesem kurzen Interview:
Die Inhalte und Fähigkeiten, die spielerisch vermittelt werden sollen, können durchaus kompakt sein und sich auf einzelne Botschaften fokussieren, wie das folgende Beispiel zeigt.
Fallbeispiel: Mobile Game bei Oracle
Der Softwarehersteller Oracle hat mit dem Spielebaukasten Gamewheel ein Spiel umgesetzt, das eine einzige Botschaft vermitteln soll: „Oracle Cloud-Dienste sind modular und lassen sich einfach konfigurieren“. In einem Geschicklichkeitsspiel à la Tetris kann dies der Spieler selbst erfahren. Und darum geht es auch in den Oracle-Events, die über das Spiel beworben werden: die Oracle-Cloud erfahren. Einen ersten Schritt machen potenzielle Kunden bereits in diesem Spiel, das eine Click-Through-Rate von 85% erreicht und sich damit als wahre Leadgenerierungsmaschine erwiesen hat.
Quelle: gamewheel.com. Klicken, um zu spielen.
Spielerisch Mitarbeiter und Kunden aktivieren
Die Psyche des Menschen ist seit jeher auf Wettbewerb mit anderen Individuen ausgelegt. Daher wundert es nicht, dass wir gerne solche Tätigkeiten vollführen, bei denen wir uns mit anderen messen können. Dazu zählen auch Spiele. Um die Motivation und die Aktivität der Spieler zu steigern, werden dabei verschiedene Mechanismen eingesetzt.
Mechanismen zur Steigerung der Motivation
- Sichtbarer Status des Spielers
- Einsehbare Rangliste aller Spieler
- Rätsel oder Fleißaufgaben ("Quests")
- Transparente Resultate
- Rückmeldung zur Aktivität des Spielers
- Überzeugende inhaltliche Bedeutung der Ziele ("Epic Meaning")
- Dynamische Fortschrittsanzeige der Erfolge
- Zusammenarbeit in der Community
- Zur jeweiligen Aufgabe passende Informationen
(Lies mehr dazu unter Gamification – Steigerung der Nutzungsmotivation durch Spielkonzepte).
Fallbeispiel: B2B-Gamification bei SAP
Der Softwarehersteller SAP gilt als einer der Vorreiter des Gamification-Ansatzes im B2B. Im SAP Community Network, einer Collaboration-Plattform für Mitarbeiter, Partner und Entwickler, können Nutzer „Missionen“ erfüllen, indem sie beispielsweise anderen Nutzern helfen. Die hilfreichsten und produktivsten Teilnehmer werden regelmäßig ausgezeichnet. Reputation und Anerkennung motiviert heute zwei Millionen Nutzer dazu, täglich 1.200 neue Diskussionen zu starten und 7.000 Kommentare zu schreiben2. Der Expertenstatus im SCN gilt mittlerweile bereits in der Branche als Referenz für Know-how und Soft Skills.
Screenshot scn.sap.com/activity (06.04.2016)
Gamification bei der Entwicklung von Content
Der Wettbewerb um Anerkennung fördert bei der Zielgruppe ein gewünschtes Verhalten. Ein Mechanismus, mit dem sich auch potenzielle Kunden aktivieren lassen. Etwa wenn diese an der Entwicklung von Marketinginhalten mitwirken sollen und so zu Co-Produzenten werden. Die Idee, Kunden in die Content-Erstellung einzubinden ist Teil des Lean Content Marketing Ansatzes, den wir von dem Lean Startup Prinzip abgeleitet haben.
Gamification is about turning customers into active “co-creators”— delighting them while also encouraging their interaction and personal input.
– Maya Nix
Damit Kunden mitwirken, müssen entsprechende Anreize geschaffen werden, die über eine reine materielle Belohnung hinausgehen. Der bereits genannte Wettbewerb um Anerkennung kann hier eine wichtige Rolle spielen. Das zeigt sich zum Beispiel in Kommentarfunktionen, wo sich Experten zu Wort melden, um ihr Wissen zu präsentieren. Dieses Feedback können Unternehmen wiederrum nutzen eigenen Content zu optimieren.
Fallbeispiel: Aktivierung von Nutzern bei LinkedIn und Xing
Business-Plattformen wie LinkedIn und Xing nutzen Gamification-Mechanismen unter anderem, um die Nutzer zum Vervollständigen ihres Profils zu veranlassen (links im Bild) oder regelmäßig auf der Plattform aktiv zu sein (rechts im Bild). Dazu wird der Status des Nutzers in seinem Profil angezeigt.
Ähnlich könnte man sich ein Belohnungssystem für Kunden vorstellen, die an der Entwicklung von Marketing Content mitwirken.
Tipps für Gamification im Marketing
- Gamification ist kein Selbstzweck
Spielerische Elemente in Marketing und Vertrieb sollten immer einen messbaren Beitrag zur Gewinnung von Kunden leisten, d.h. Leads generieren, Interesse qualifizieren, Kunden aktivieren usw. - Nutzwert statt Werbephrasen
Auch für Games im Content Marketing gilt: Verzichte auf Werbung für dein Produkt oder dein Unternehmen, und stelle stattdessen deine Inhalte und Botschaften in den Mittelpunkt des Spiels. - Das richtige Spiel zur richtigen Zeit
Stimme die Inhalte und die Spielmechanik auf deine Zielgruppe und ihre momentane Position im Kaufprozess ab. Vermittle Wissen und Fähigkeiten, die dem individuellen Bedarf des Nutzers entsprechen. - Gamification in Kampagnen integrieren
Wie jede Taktik im Content Marketing müssen auch spielerische Elemente in Kampagnen integriert werden, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Nutze Games also nicht als Stand-Alone, sondern im Kontext mit anderen Maßnahmen. - Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Gamification ist ein laufender Prozess, der das Marketing deines Unternehmens nachhaltig verändern kann. Wenn deine Kunden plötzlich anfangen, mit dir in Dialog zu treten und interagieren, solltest Du darauf mit zusätzlichen Ressourcen vorbereitet sein. - Gamification auf die Marke ausrichten
Auch wenn es bei Gamification nicht um bloße „Spielerei“ geht, solltest Du dennoch kritisch hinterfragen, ob die Form des Spiels, das Du einsetzen willst, zu deinem Unternehmen, deinen Kunden und vor allem zu deinen Zielen passt.
Fazit
Jeder Mensch spielt gerne und lässt sich durch Spiele zu einem gewünschten Verhalten veranlassen. Diesen Effekt können Marketer nutzen, um Kaufentscheidungen zu fördern, indem sie spielerisch Wissen vermitteln oder potentielle Kunden in die Entwicklung von Content und Produkten einbeziehen.
Du bist gefragt! Falls du gute Beispiele für Gamification im Marketing kennst, poste sie unbedingt in die Kommentare!
PS: Vielen Dank an Roman Rackwitz für seine Unterstützung.
Weiterführende Links
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Robert ist Autor des Bestsellers „Content Design“ (Hanser Verlag), unabhängiger Content-Stratege und Gründer dieses Magazins (ehem. „toushenne.de“). Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.