Der folgende Artikel ist ein Gastbeitrag von Tanja Josche und Sascha Tobias von Hirschfeld, den Autoren des Buches Lean Content Marketing.
Dass wir Zielgruppen eher mit guten Inhalten als mit platten Werbesprüchen überzeugen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Auch im B2B-Bereich sind nützliche Inhalte unabdingbar, um potenzielle Kunden bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.
Am Sinn und Zweck von Content Marketing zweifelt kaum jemand. Viele fragen sich nur, wie sie den vermeintlich hohen Aufwand, der damit verbunden ist, bewältigen können.
Wer soll all die unterhaltsamen Videos, hübschen Infografiken und seitenlangen Whitepapers erstellen? Wer kümmert sich um Content-Management und Distribution?
Oft fehlt es gerade denjenigen, die am ehesten Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit brauchen, an den nötigen Ressourcen für das Content Marketing.
Daher gibt es hier nun ein paar Tipps, wie du „schlank“ starten und auch mit kleinem Budget Content Marketing betreiben kannst. Dabei legen wir einen besonderen Fokus auf den Aspekt der Content-Personalisierung: Denn deine Inhalte werden umso erfolgreicher sein, wenn sich der Nutzer individuell verstanden und behandelt fühlt.
Auch das geht „auf die schlanke Art“.
Wir zeigen wie!
Der Einstieg ins Content Marketing
Unser wichtigster Tipp: Einfach anfangen!
Der wichtigste Tipp für alle, die ins Content Marketing einsteigen wollen: Zögere nicht, sondern leg einfach los! So kannst du schnell Erfahrungen sammeln und deine Strategie dann nach und nach ausbauen und verfeinern. Eine Kampagne muss nicht „perfekt“ durchdacht sein. Ein Blogartikel nicht wochenlang geplant, geschrieben, überarbeitet und wieder korrigiert werden. Denn was bringt der ganze Aufwand, wenn du damit gar nicht den Nerv der Zielgruppe triffst?
Der Ansatz im Lean Content Marketing ist daher ein anderer: Es geht darum, mit geringem Aufwand möglichst schnell zu starten, Feedback und Daten über die Content-Nutzung zu sammeln und diese Informationen zu nutzen, um bei der nächsten Kampagne Themen, Formate oder die Wahl der Distributionskanäle weiter zu optimieren. So kannst du den eigenen Content Schritt für Schritt verfeinert, um immer effektiver die gesetzten Ziele zu erreichen. Und du läufst nicht Gefahr, dich schon vor dem Start mit einem allumfassenden Konzept zu verzetteln.
Schnell starten und experimentieren – das widerspricht dem Perfektionismus und hohen Anspruch, den wir manchmal mit uns herumtragen. Doch gerade für kleine Unternehmen oder Startups lohnt sich ein solch schlanker Einstieg.
Die Idee dahinter geht zurück auf das „Lean Startup“ Prinzip von Eric Ries. Er hat es ursprünglich für den Markteintritt von Unternehmen und Produkten entwickelt. Aber es lässt sich sehr gut auch auf das Content Marketing übertragen.
Wie funktioniert Content Marketing in der Praxis?
Als ersten Schritt ins Content Marketing könntest du zum Beispiel mit dem Kuratieren fremder Inhalte beginnen. Überlege dir, welche Fragen und Bedürfnisse deine Zielgruppe haben könnte, scanne den Markt nach Inhalten, die diese beantworten, und verbreite sie über Twitter, Google+ oder XING. Schau dir genau an, wie die Zielgruppe den Content aufnimmt. Welche Inhalte werden weitergeteilt? Welche Kommentare werden gepostet? Mit wenig redaktionellem Aufwand findest du so heraus, welche Themen die Zielgruppe besonders interessiert. Diese Erkenntnisse lässt du dann direkt in die Planung und Produktion eigener Inhalte einfließen. So ist das Risiko äußerst gering, dass du an den Bedürfnissen der Zielgruppe vorbei produzierst.
Hinter Lean Content Marketing verbirgt sich also kein linearer Prozess, sondern ein Zyklus, der vom Feedback der anvisierten Zielgruppe angetrieben wird. Und es geht auch nicht darum, möglichst „billig“ zu produzieren. Vielmehr sollen Geld, Zeit und Personal intelligent eingesetzt werden, um hochwertigen Content zu kreieren, der ins Schwarze trifft:
Lean Startup isn’t about being cheap, it is about being less wasteful and still doing things that are big.“
(Eric Ries)
Ein gutes Beispiel dafür ist auch Content Repurposing: Inhalte, die du einmal bearbeitet hast, kannst du mit relativ geringem Aufwand in ein anderes Format bringen. So wird aus einem Blogpost zum Beispiel ein Video, das die Geschichte nochmals anders erzählt. Du erreichst auf diese Weise verschiedene Zielgruppen, ohne das Rad komplett neu zu erfinden und gewinnst dadurch wertvolle Informationen über die Wirksamkeit unterschiedlicher Formate: Welche werden bevorzugt konsumiert und geteilt? Was eignet sich, um Interessenten in Leads zu verwandeln? Was unterstützt die Kaufentscheidung?
Beispiel: Personalisierung von Website-Content
Auf einen zunehmend wichtigeren Aspekt wollen wir nun etwas ausführlicher eingehen: die Personalisierung von Content. Selbst ein so komplexes und aufwändiges Thema lässt sich schlank angehen.
Wenn du es geschafft hast, deinen Besucher mit gutem Content auf deine Website zu locken, z.B. über einen Gastbeitrag in einem anderen Blog, solltest du ihm ein möglichst individuelles Erlebnis bieten. Denn Nutzer reagieren frustriert, wenn sie auf Inhalte stoßen, die nichts mit ihren Interessen zu tun haben. Je relevanter und persönlicher die Inhalte aber sind, umso eher wird der Nutzer mit der Website interagieren. Das heißt: Er wird länger dort verweilen, sich intensiver mit den angebotenen Inhalten auseinandersetzen - zum Beispiel ein Whitepaper herunterladen oder sich für den Newsletter anmelden - und schließlich auch einen Kauf tätigen oder eine konkrete Anfrage stellen (ein paar interessante Statistiken dazu gibt es hier und hier).
Personalisierte Inhalte gelten daher als einer der wichtigsten Marketing-Trends für 2015.
Worum geht es genau?
Bei der Content-Personalisierung geht es darum, Inhalte auf das Verhalten und die Bedürfnisse des Nutzers zuzuschneiden, um für ihn ein individuelles Erlebnis am „Touch Point“ zu schaffen – zum Beispiel, indem wird Bezug darauf nehmen, von welcher Seite er kommt oder welches Endgerät er nutzt. Dabei müssen die personalisierten Inhalte in Echtzeit ausgeliefert werden. Das geht natürlich nur bei Kanälen, deren Inhalte du selbst kontrollieren kannst, also zum Beispiel die Unternehmenswebsite, dein Blog, Landingpages, Apps oder E-Mail-Newsletter.
Grundsätzlich lassen sich vier verschiedene Ansätze der Personalisierung unterscheiden:
- Medienbasierte Personalisierung (auf der Grundlage der zuvor besuchten Seiten und Medien, zum Beispiel Nutzung des Google Suchbegriffs)
- Personenbasierte Personalisierung (auf Basis persönlicher Daten, z.B. dem Namen, oder Informationen über das Nutzerverhalten)
- Gerätespezifische Personalisierung (je nach benutztem Endgerät)
- Kaufphasenspezifische Personalisierung (je nach Position im Kaufprozess und den damit zusammenhängenden Bedürfnissen)
Um ein bestmögliches Nutzererlebnis zu schaffen, sollten mehrere dieser Ansätze kombiniert werden. Die folgende Grafik von ConversionXL verdeutlicht das:
Das klingt nach viel Aufwand? Ist es auch. Es gibt zwar mittlerweile eine Reihe von Software-Lösungen, die Besucher „erkennen“ und den Content individuell und in Echtzeit zusammenstellen. Doch die Planung und technische Umsetzung ist sehr aufwändig.
„In a couple of years, people will look back and marvel that automatic site personalization was ever an issue.”
(Mark Zuckerberg)
Gefragt sind daher Konzepte, die es ermöglichen „schlank“ zu starten. Entscheidend ist dabei, dass Feedback und Daten aus dem Live-Betrieb genutzt werden, um Maßnahmen, Inhalte und Technologien Schritt für Schritt zu verbessern.
6 Tipps für einen „schlanken“ Einstieg in die Content-Personalisierung
- Einfache Nutzertypologie erstellen:
Starte mit einer einfachen Typologie deiner Website-Besucher, für die du personalisierte Maßnahmen und Inhalte planst. Welche Themen interessieren sie, über welche Kanäle kommen sie auf eure Seite, auf welche Anreize reagieren sie? Es ist ok, wenn du dich hierbei am Anfang auf Annahmen und eigene Erfahrungen stützt. Wichtig ist nur, die Hypothesen dann im Live-Betrieb zu testen. - Klein anfangen:
Zu Beginn solltest du dich auf wenige Tools und Maßnahmen beschränken, die eine hohe Wirkung versprechen. Du könntest zum Beispiel einen Nutzer beim ersten Besuch deiner Seite individuell begrüßen, abhängig davon, welche Website er zuvor besucht hat oder welches Keyword ihn über eine Suchmaschine hergeführt hat, und ihm dazu passende Inhalte anbieten.
Robert macht das auf toushenne.de zum Beispiel so:
Eine solche Personalisierung kannst du manuell einrichten, wenn die Anzahl der möglichen Quellen gering ist. Es gibt aber auch spezielle Software, die je nach Historie des Landingpage-Besuchers den passenden, bedarfsorientierten Content ausgibt.
Wir nutzen für unsere eigene Website das Wordpress Plugin „SiteApps“ in Verbindung mit der App „Sticky Note“. Für den schlanken Start ist das eine gute Lösung: Es lässt sich ruckzuck implementieren, ist leicht bedienbar und bietet ausreichende Möglichkeiten für erste Personalisierungen: Wir können auswählen, für welche Benutzer, in welchen Ländern, zu welchen Zeiten, und auf welchen Seiten eine bestimmte Botschaft angezeigt werden soll. Gängige Nutzersegmente (neue/wiederkehrende Besucher, Besucher von Google) sind vordefiniert, aber wir können auch eigene definieren. Der Inhalt, der angezeigt werden soll, wird manuell angelegt. Darin besteht auch der Hauptunterschied zu aufwändigeren – und entsprechend teuren – Lösungen, die Content je nach Bedarf des Nutzers automatisch ausliefern können. - Wirkung messen
Analysiere im nächsten Schritt die Reaktionen auf den personalisierten Content: Bekommst du persönliches Feedback von den Nutzern? Wenn ja, höre genau hin, was sie zu sagen haben! Klicken sie auf die verwandten Inhalte, von denen du vermutest, dass sie interessieren könnten? Oder ist die Bounce Rate sehr hoch? Letzteres würde darauf hinweisen, dass die Nutzer eher genervt sind von einer solchen Begrüßungsseite. Sind die Reaktionen aber positiv, kannst du im nächsten Schritt deinen Ansatz verfeinern. - Maßnahmen optimieren
Die Nutzungsdaten und das User-Feedback sind die Grundlage, um deine Tools und Maßnahmen fortlaufend zu optimieren. Der nächste Schritt könnte zum Beispiel darin bestehen, Inhalte und Angebote („Calls to Action“) in Abhängigkeit der besuchten Seiten auszugeben. Mit einem A/B-Test kannst du dabei verschiedene Content-Varianten gegeneinander testen. Achte aber darauf, dass du die Besucher dezent durch dein Angebot leitest. Denn zu viele Popups und Hinweise können auch abschreckend wirken.
Es kommt darauf an, das richtige Maß zu finden. Und das ist nicht einfach. Einerseits vermitteln personalisierte Inhalte dem Besucher den Eindruck, verstanden und individuell behandelt zu werden. Andererseits könnte sich der Besucher „ertappt“ oder gar beobachtet fühlen und sich fragen: Woher wissen die, was ich benötige oder bisher getan habe?
Forrester Research unterscheidet vier verschiedene Besuchertypen, je nachdem wie sie auf personalisierte Inhalte reagieren [2]: - Flexibel bleiben
Sei darauf vorbereitet, dass du deinen eingeschlagenen Weg gegebenenfalls wieder verlassen und radikal umdenken musst. Zum Beispiel wenn sich zeigt, dass deine personalisierten Hinweise und Calls to Action eine gegenteilige Wirkung haben und eher dazu führen, dass der Besucher die Seite wieder verlässt.
Das Risiko jedoch bleibt jedoch kalkulierbar, wenn du dich langsam vortastest und deine Maßnahmen nach dem Lean-Prinzip schrittweise verfeinerst.
Welche Erfahrungen hast du mit Content-Personalisierung gemacht? Wie stehst du zum Lean-Prinzip „schnell starten und experimentieren“?
[2] Quelle: mycustomer.com
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Robert ist Autor des Bestsellers „Content Design“ (Hanser Verlag), unabhängiger Content-Stratege und Gründer dieses Magazins (ehem. „toushenne.de“). Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.