Bist du Blogger? Dann wirst du mir wahrscheinlich zustimmen wenn ich sage, dass Content die Grundlage deiner Arbeit ist. Aber gilt das nur für uns Blogger?
Sowohl Blogger als auch Selbständige nutzen (digitale) Inhalte schon zur Imagepflege und Kundenakquise. Und wenn sie durch ihre Inhalte über Suchmaschinen gefunden werden, Interessenten gewinnen und daraus langfristig Kunden und loyale Leser entstehen, dann nennen wir das Inbound Marketing.
Mit wir meine ich in diesem Fall mich und Jan Steinbach von der Agentur Xengoo, der in einem Interview interessante Antworten auf meine Fragen rund um Content und Inbound Marketing liefert.
Hallo Jan! Du bist Unternehmensberater und Content-Marketer. Wie sieht dein Werdegang aus?
Ich habe in Chicago mit Schwerpunt Marketing studiert und dann vor über 25 Jahren auf Agenturseite meine Karriere begonnen. Angefangen habe ich bei Y&R in New York als Junior Berater in der klassischen Werbung. Im Laufe der Jahre habe ich dann das Thema Database/Dialogmarketing und seit 1999 auch „Digital“ für mich entdeckt. 2002 hab ich mich mit meinem jetzigen Partner Uwe Freese mit einer Agentur selbständig gemacht, in deren Zentrum „Digital“ stand.
Diese Agentur haben wir 2006 in die Havas Worldwide Germany eingebracht. Für über 7 Jahre war ich CEO der Digitalagentur von Havas und in 2013 CEO der Gesamtagentur Havas Düsseldorf. In dieser Zeit haben wir über 6 Jahre die Firma SAP als Leadagentur betreut und intensiv Bekanntschaft mit verschiedenen Aspekten des Content Marketings gemacht.
Ende 2013 haben mein Partner Uwe Freese und ich dann unsere „Komfortzone“ verlassen und uns zusammen mit dem Informatiker Adam Dreessen als Xengoo selbständig gemacht.
Die Idee: Unternehmen bei der Transformation hin zu einem Inbound orientierten Content Marketing zu unterstützen.
Eine gute Idee! Über deine Agentur Xengoo haben wir auch zueinander gefunden. Ihr seid, genau wie ich, von Inbound Marketing überzeugt. Was genau verstehst du bzw. versteht ihr darunter?
Das Inbound Content Marketing dreht das althergebrachte Werbeprinzip um. Statt Kunden mit werblichen Botschaften ungefragt zu stören setzt Inbound Marketing darauf, ihnen das zu bieten, was sie wirklich suchen. Und das sind hilfreiche Inhalte die ihnen helfen oder sie inspirieren. Denn Kunden im digitalen Zeitalter entscheiden selbst ob, wann und wie sie mit Unternehmen in Kontakt treten.
Wir haben einen schönen „Erklärbär-Film“ entwickelt, der das Prinzip auf ganz plastische Weise rüberbringt.
Welches Gewicht hat Content in diesem Gefüge? Wie stehst du zu der aktuellen Diskussion um Content Marketing? Ziehst du klare Linien, oder gehört deiner Meinung nach ohnehin alles in eine Strategie?
Hilfreicher, hochwertiger Content ist natürlich ein notwendiger Baustein. Allerdings muss dieser Content vor allem Relevanz für die jeweiligen Buying Personas haben. Es bedarf also eines tiefen Verständnisses über die Käufer und deren Kaufprozess, von der initialen Suche bis zur Abwägung der Kaufkriterien. Man kann nicht sagen, das eine ist wichtiger als das andere. Beim Content Marketing handelt es sich genau genommen um eine Wirkungskette. Und Ketten sind ja bekanntlich immer so stark wie ihr schwächstes Glied.
Ihr beratet Unternehmen hinsichtlich Inbound, wie geht ihr vor? Setzt ihr strategische oder operative Schwerpunkte?
Wir haben einen Prozess entwickelt, der stets mit den Buyer Personas anfängt. Man kann diesen Punkt eigentlich nicht überstrapazieren, denn bisher waren ausnahmslos alle unsere Kunden der Meinung ein klares Bild ihrer Kunden zu haben. Und genauso ausnahmslos reift im Laufe des Projektes die Erkenntnis, dass wesentliche Puzzleteile dieses Bildes fehlen.
Das Verständnis der Buyer Persona ist so enorm wichtig, weil es die Voraussetzung für alle strategischen Entscheidungen im Content Marketing darstellt.
In der „traditionellen Outbound-Marketing-Welt“ kann man (zur Not) auch ohne dieses Verständnis einen gewissen Erfolg haben, da dem Kunden die Botschaften ja sowieso „aufgezwungen“ werden. Beim Inbound Content Marketing führt mangelnde Kundenkenntnis zwangsläufig ins Leere, da Inhalte, die die Kunden nicht interessieren, gar nicht gesucht und folglich auch nicht gesehen werden.
In Deutschland ist Inbound noch nicht ganz angekommen, oder? Welche Erfahrungen hast du im Ausland gemacht und was fehlt der deutschen Inbound-Marketing-Branche deiner Meinung nach noch für den Durchbruch?
Inbound Content Marketing ist bekanntermaßen aus den USA zu uns nach Europa gekommen; maßgeblich von HubSpot Gründer Brian Halligan entwickelt.
Ich persönlich glaube, dass die amerikanische „Hurra-Mentalität“ in Bezug auf Content Marketing in Deutschland zunächst mal Skepsis hervorruft. Allerdings, und das war auch schon auf der diesjährigen Content Marketing Conference in Köln erlebbar, wird es nach und nach in vielen führenden Unternehmen implementiert. Ich glaube auch, dass es wenig hilfreich ist das Thema dogmatisch zu sehen. Auf der einen Seite die „bösen“ Werber, auf der anderen Seite die „guten“ Inbound Content Marketer. Beide Seiten, In- und Outbound sollten vielmehr integriert zusammenwirken. Das macht es auch leichter für Unternehmen, die aus gutem Grunde nicht jedem Trend hinterherlaufen.
Ich habe dein (bzw. euer) Buch Helpvertising* gelesen. Warum trägt es den Untertitel „Content Marketing für Praktiker“? Worum geht es und für welche Zielgruppe habt ihr es geschrieben?
Es geht um Werbung, die hilfreich ist - also Inbound Content Marketing. Geschrieben haben wir es für Marketing Entscheider und deren Mitarbeiter, die für sich ein Bild machen wollen was Inbound Content Marketing ist und ob das Thema für sie relevant ist. Das Buch beginnt mit dem veränderten Kaufverhalten heutiger Kunden und der Idee des Inbound Content Marketing, als Antwort darauf. Dann werden die operativen Prozesse, der Content Erstellung sowie die notwendigen Technologien, allen voran die Marketing Automation von HubSpot vorgestellt.
Vorsicht! Es handelt sich um eine „Einstiegsdroge“… ;-)
Teilt der SpringerGabler Verlag eure „neue Denkweise im Marketing“? Und wird es weitere Publikationen in diese Richtung von euch geben?
Tatsächlich denkt (und handelt) SpringerGabler sehr im Sinne von Helpvertising. Kein Wunder, die Kraft von gutem Content ist sicherlich wenigen so bewusst wie den Verlagen.
Was wird deiner Meinung nach „The Next Big Thing“ im Marketing?
Ich glaube, dass Content-Marketing uns noch eine ganze Weile beschäftigen wird. Schließlich hat es 50 Jahre gedauert, bis dieses neue, grundlegende Prinzip sich etablieren konnte. Allerdings bin ich überzeugt, dass wir ein noch viel stärkeres Maß an Personalisierung von Content erleben werden. Also Content, der sehr spezifisch auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Meine Leser sind zu einem Großteil Freiberufler und Selbständige. Wie können sie Inbound für sich nutzen und was brauchen sie dafür?
Das Schöne an Inbound ist dessen Unbestechlichkeit. Man kann sich Inbound nicht kaufen. Das heißt: Wer seine Kunden kennt und diesen relevanten Content zur Verfügung stellt, kann mitunter im Content-Marketing erfolgreicher sein als ein Großkonzern.
Und zum Schluss vielleicht noch einen Tipp, wie speziell Blogger von Inbound profitieren können?
Blogger leben von Ihrer Authentizität. Bei allem, was sie in Sachen Inbound machen, sollten Sie sich nie verbiegen. Wenn’s aber inhaltlich passt, dann ist Inbound auf jeden Fall ein Weg, wie man als Blogger neue Income Quellen erschließen kann ohne zu nerven, ganz anders als bei Bannern und Co.
Danke, Jan, für das spannende Interview!
Fassen wir zusammen:
- Inbound Marketing zielt darauf ab, Interessenten das zu bieten, was sie wirklich suchen.
- Content entfaltet erst in Kombination mit Relevanz für die Buyer Persona seine gesamte Wirkung.
- Inbound ersetzt Outbound nicht, vielmehr sollten beide Marketingdisziplinen in einer übergreifenden Strategie integriert werden.
- Der nächste Level im Marketing wird die Personalisierung.
- Inbound Marketing ist ehrlich und authentisch, es entscheidet nicht (immer) das größte Budget.
Und jetzt bist du dran! Hast du weitere Fragen an Jan? Wie gehst du als Blogger oder Selbständiger mit dem Thema Content Marketing um?
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Robert ist Autor des Bestsellers „Content Design“ (Hanser Verlag), unabhängiger Content-Stratege und Gründer dieses Magazins (ehem. „toushenne.de“). Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.