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Robert Weller
Content-Stratege, Buchautor und Dozent für Content Marketing.

Felix Belau, Gründer von Chatchamp, über den Einsatz von (Facebook) Chatbots in Unternehmen

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Interviews
Felix Belau (ChatChamp) Portrait

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„Sicherlich einer der inhaltlich wertvollsten Newsletter, die ich bisher erhalten habe.“

Andreas Hoffmann
Head of Marketing @ OmniCult

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HelloFresh, Telefónica, REWE und ganz besonders Hey Charles – sie alle haben Chatbots fest in ihre Marketing- oder Service-Kommunikation integriert. Die einen nutzen den Facebook Messenger, andere WhatsApp und wiederum andere spezifische Website Chatbots, um überhaupt erstmal Leads zu generieren und zu qualifizieren.

Warum das momentan aber immer noch die Minderheit der Unternehmen sind und was andere, vor allem auch größere Unternehmen, davon abhält, ebenfalls mit Chatbots zu experimentieren, darüber habe ich mit Felix Belau, dem Gründer von Chatchamp gesprochen. Als Anbieter für Chatbots kennt er das Potenzial von Chatbots und kann den Markt sehr gut einschätzen.

Lies bzw. hör rein (ups, Spoiler!) und mach dir selbst ein Bild davon, wo die Stärken und Grenzen von Bots liegen und entscheide, ob es sich auch für dich lohnt, einen Chatbot zu nutzen.

Du interessierst dich für Facebook Chatbots, hast aber keine Lust zu lesen? Du kannst du dieses Gespräch zwischen Felix Belau und mir auch anhören – ungekürzt in voller Länge!

Hallo Felix, am besten stellst du dich erstmal selbst kurz vor.

Ja Hallo! Ich bin Felix Belau, einer der Gründer von Chatchamp. Wir oder uns gibt es mittlerweile seit drei Jahren.

Ich komme eigentlich aus der IT. Ich habe Softwareentwicklung studiert und lange als Softwareentwickler gearbeitet, mich dann aber immer mehr mit Marketing beschäftigt und Performance Marketing speziell für Facebook gelernt. Das war dann in gewisser Weise der Schnittpunkt zu Chatbots, so wie wir sie momentan in Unternehmen sehen und eben auch selbst einsetzen. Denn am Ende können sie ein ganz gutes Marketinginstrument darstellen, haben aber einen sehr technischen Hintergrund – faktisch also genau die Schnittstelle, die ich mit meinem persönlichen Werdegang auch hatte.

Das alles machen wir jetzt seit gut drei Jahren; 2016 fiel der Startschuss, als Facebook Messenger die Schnittstelle geöffnet hat und der Hype immer größer wurde. Inzwischen arbeiten wir mit größeren Unternehmen wie zum Beispiel der Telefónica zusammen, sind aber auch mit sehr dynamischen, schnellen Start-ups dabei, Facebook und Chatbots als Kanal zu testen.

War das etwa eine kleine Stichelei in Richtung Telefónica bzgl. Schnelligkeit?! ;-)

Nein, nein! Die sind tatsächlich sehr sehr schnell. Wir haben da jetzt ein gutes Projekt auf die Beine gestellt.

Ich glaube, allein die Tatsache, dass sich so ein Unternehmen mit Chatbots beschäftigt, spricht für sie.

Aber lass uns da nochmals einen Schritt zurückgehen: Wie definiert du, wie definiert Ihr Chatbots?

Ich glaube, das Wort selbst beschreibt es ganz gut: Am Ende des Tages geht es um Chats, also eine Kommunikation, die entweder Text- oder Voice-basiert und durch Bots eben automatisiert ist. Du als Konsument am PC (oder Smartphone) chattest also mit einer Maschine, nicht mit einem Kumpel oder einem Agent aus dem Unternehmen. Es ist eine automatisierte, vom Computer geführte Kommunikation.

Verstehe. Diese Definition deckt sich mit meiner Vorstellung und auch dem, was andere Experten, wie Sebastian Riehle bspw. in seinem Gastartikel (Link siehe unten), sagen.

Was muss so ein Bot tatsächlich leisten können, damit ein Konsument am anderen Ende mit diesem Bot kommunizieren will?

Fakt ist, dass ein Unternehmen für diesen Chatbot ein Ziel definieren muss.

Das kann sein, eine Kundenanfrage zu beantworten, das kann aber auch sein, dass er Neukunden qualifiziert, die zum ersten Mal Interesse an einem Produkt oder einer Dienstleistung geäußert haben. Wichtig ist, dass dieses Ziel auch transparent für den Nutzer dargestellt und dann eben auch erfüllt wird. Du bist als Nutzer ja nur dann zufrieden, wenn deine Frage, die du als potenzieller Kunde stellst, auch “richtig” beantwortet wird und nicht, wenn der Chatbot sie gar nicht erst versteht.

Das heißt einerseits ist die Zieldefinition wichtig und andererseits in diesem Kontext dann auch die Fragen richtig zu beantworten.

Felix Belau (ChatChamp) über Ziele von Chatbots

Kannst du ein oder zwei solcher Cases mal näher beschreiben? Wenn ein Bot darauf ausgelegt ist, Konsumenten zu qualifizieren, wie genau sieht dann so ein Chatbot aus?

Das ist ein typischer Bot, wie er in der Neukundengewinnung und Lead-Qualifizierung eingesetzt wird: Ein Nutzer interessiert sich für ein Produkt, sagen wir mal eine Versicherung, und diese Versicherung braucht gewisse Informationen über den Interessenten um abzuschätzen, ob dieser überhaupt interessant für sie ist oder nicht. Das heißt dieser Nutzer spricht also über die Website oder im Facebook Messenger mit dem Chatbot, der auf Basis eines gescripteten Dialogs nach und nach bestimmte Fragen stellt.

Stichwort “Rückfragen”: Kann das ein programmierter Bot, der auf einem Entscheidungsbaum basiert, tatsächlich leisten oder ist das schon ein Thema, bei dem wir über künstliche Intelligenz sprechen?

Es gibt gut gescriptete Bots, die zwar auf einen Entscheidungsbaum basieren aber auch Raum für Rückfragen lassen, nachdem sie eine Frage gestellt haben. Diese Rückfragen sind aber dann aber auch gescriptet.

Du kommst zum Beispiel auf die Seite der Versicherung und der Bot fragt dich, ob du im Moment bei einer gesetzlichen Versicherung bist. Als Antwortmöglichkeiten stehen dir Ja und Nein zur Verfügung, in einer weiteren Nachricht vielleicht aber auch die Rückfrage-Option, was eigentlich eine gesetzliche Versicherung ist. So kannst du dich nochmal kurz informieren und dann die passende Ja- oder Nein-Antwort auswählen.

So ein Beispiel wäre noch im gescripteten Rahmen. Ansonsten hast du vollkommen Recht, dass wir da schon über künstliche Intelligenz sprechen.

Okay, das heißt im Rahmen eines gescripteten Bots gibt so eine Art Einwandvorwegnahme, sprich wir die Fragen des Konsumenten antizipieren und ihm die Möglichkeit geben, diese Fragen zu stellen.

Ja, genau. Sowas sieht man ja auch in den Frequently Asked Questions. Das sind so die einfachsten Fragen, die man eben mit einem Skript vorwegnehmen kann. Wenn es wirklich tiefgehende Rückfragen sind, dann braucht man aber KI.

Gibt es einen Unterschied bzw. seht ihr einen Unterschied bei euren Kunden was die Erfolgsquote solcher Chatbots anbelangt? Also ist es noch Spielerei, weil die Unternehmen sagen “Ach, komm, lass uns da mal irgendwie vortasten und ein Gefühl dafür kriegen, was ein Chatbot leisten kann” oder sind da Unternehmen auch schon dabei, Chatbots effektiv für die Kundenakquise zu nutzen?

Wir sehen, dass viele von unseren Kunden Chatbots wirklich effektiv für die Kundengewinnung einsetzen und es inzwischen ein wichtiger Kanal für sie ist.

Oft ist es doch so, dass du als Marketer ein Budget hast, das du bspw. auf Social Media ausgibst. Bei unseren Kunden sind davon schon ca. 40-50 % für die Messenger Akquise, das heißt sie generieren sehr Performance-orientiert Neukunden über Facebook Messenger. Heißt sie schauen auch sehr genau darauf, wo Personen in diesem Chatbot-Dialog abspringen und optimieren ständig. Es ist ja nicht so, dass du diesen Bot einmal aufsetzt und dann funktioniert er.

Gerade beim Wording gibt’s sehr viele Unterschiede, wie man bspw. die Telefonnummer von einem Interessenten abfragen kannst, die in der Conversion Rate zwischen 20 und 70 % schwanken! Für ein Performance-Team sind das natürlich Welten.

Wenn Kunden oder Unternehmen den Kanal wirklich ernst nehmen und sich auch Zeit nehmen, ihn Performance-orientiert zu betrachten, sehen wir da wirklich schon Erfolgschancen.

Welche Unternehmen sind Vorreiter in Deutschland? Meinem Gefühl nach kommt das Thema bei uns gerade erst an. Und dann ist da ja noch die DSGVO, Facebook ist böse und Messenger will doch eh keiner nutzen… Wie ist die Meinung von Unternehmen?         

Also wir sehen in der Leadgenerierung, was wir ja auch machen, ein paar ganz coole Cases:

HelloFresh zum Beispiel qualifiziert Neukunden sehr spielerisch über einen Chatbot. Du kommst da rein und siehst immer zwei Gerichte, sagst welches du besser findest und hast durch deine Antwort die Chance, ein HelloFresh-Abo für 1-2 Monate zu gewinnen. So ein Gewinnspiel könnte man eigentlich auch auf einer Landingpage abbilden, ist in diesem Dialog aber noch spielerischer und persönlicher.

Audibene, ein Anbieter für Hörgeräte und somit eine eher ältere Zielgruppe, nutzt einen Chatbot für die Lead-Generierung.

Abseits des Messenger-Spektrums gibt’s auch Unternehmen wie REWE/Otto, die auf die neue WhatsApp Business API gesprungen sind und das als Kanal für Customer Care nutzen.

Und was bis vor einiger Zeit noch Unternehmen wie Urlaubspiraten oder mybaby teilweise sehr erfolgreich betrieben haben, waren WhatsApp Newsletter. Hey Charles versuchen ihre komplette E-Commerce-Strategie auf WhatsApp aufzubauen und zwar komplett: Für den Erstkauf über WhatsApp locken sie dich mit Prozenten und danach kannst du ihnen einfach schreiben, um neue Boxershorts zu bestellen.

Das geht sehr stark in Richtung WeChat, oder?

Ja genau. Die gehen sozusagen schon den nächsten Schritt und ich kann nur empfehlen, sich diese Brand mal anzuschauen. Wie sie das auf ihrer Website integriert haben ist sehr cool.

hey-charles.com
WhatsApp-Integration im E-Commerce der Marke charles

Bei den Unternehmen, die du jetzt genannt hast, sieht man eigentlich schon auf den ersten Blick den potenziellen Nutzen von Chatbots. Aber was hält andere Unternehmen davon ab?

Es gibt immer Unternehmen, die sich erst dann sich für Kanäle entscheiden, wenn diese wirklich im Markt validiert sind. Chatbot Marketing ist zum Beispiel im Vergleich zu Facebook Marketing oder Google Ads noch nicht in der Form validiert, dass Unternehmen analog zu einer Social Media Strategie direkt sagen: “Hey, wir brauchen jetzt eine Chatbot Strategie!”.

Aktuell sind es eher innovative Unternehmen in einem  , die schlichtweg mehr Kanäle brauchen, um Neukunden zu gewinnen. Oder solche Unternehmen, die ihren Kunden die beste Customer Experience auf den Kanälen bieten wollen, auf denen sich ihre Kunden ohnehin schon aufhalten. Aber da gibt's noch viele traditionelle Unternehmen, die es nicht in der DNA haben, so nutzerzentriert zu denken. Das ist in meinen Augen der große Unterschied.

Gibt es Unterschiede was die Branchen, die Größe oder B2C vs. B2B angeht?

Also B2B oder B2C lässt sich bei Chatbots nicht wirklich sagen, grundsätzlich sind sie aber vor allem dann nützlich, wenn es um Automatisierung geht. Sei es in Bezug auf Kundenanfragen oder eben Kontaktanfragen im B2B. Wenn sich durch einen Bot Arbeitsaufwände “wegrationalisieren” lassen, dass lohnt sich das für jede Art von Unternehmen.

Okay. Worauf kommt es denn dann an, wenn Unternehmen sich dazu entscheiden, einen Bot zu entwickeln? Gibt es typische Must-haves? Was sind typische Fallstricke?

Das wichtigste ist, mit einem Ziel zu arbeiten und KPIs zu definieren. Also bspw. die Anzahl generierter Neukunden als Kennzahl für das Ziel “Neukunden gewinnen”, aber auch sowas wie die Customer Acquisition Costs und die Conversion Rate.

Dann muss man sich seinen Zielkunden anschauen, denn am Ende sind Chats ja wie ein sehr persönlicher Dialog aufgebaut. Und was wir durch die Bank beobachten, ist dass eine persönliche Kommunikation (z.B. mit Emojis) besser funktioniert als eine förmliche. Schau dir einfach deine eigenen Chatverläufe an. Du würdest nie zehn Sätze ausformulieren, sondern eher kurz und knapp schreiben, eine Antwort erhalten und dann wiederum darauf antworten.

Wie groß schätzt du das Risiko ein, dass dadurch ein Bruch in der Tonalität und Sprache eines Unternehmens entsteht, wenn sie in Chatbots bspw. informell und humorvoll kommunizieren, überall anders aber noch sehr förmlich?

Ich stimme dir zu, der Bruch ist da. Aber dafür hab ich jetzt keine Zahlen. Meine Vermutung wäre, dass es eher kein Problem darstellt, weil es einfach ein anderer Kanal ist. Worauf man eher achten sollte, ist bspw. die Anrede. Also wenn man grundsätzlich per Sie mit Kunden spricht, sollte man das natürlich auch weiterhin tun.

Guter Hinweis. Wie würdest du das ganze Thema Chatbots grundsätzlich im größeren Kontext integrieren? Wo sind Anknüpfungspunkte zu Ads, Content Marketing oder Social Media?

Anknüpfungspunkte sind auf alle Fälle bei Social Media. Schon aus dem Grund, dass Facebook und neuerdings auch durch Click-to-WhatsApp Ads den nahtlosen Übergang von Anzeigen zum Chatbot geschaffen hat. Die Verknüpfung mit SEA ist momentan noch ein experimentelles Feld, SEO hingegen ist schon wieder spannender mit Blick auf Onsite-Chatbots, die verhaltensbasiert getriggert werden können.

Die Verknüpfung mit Social Media ist also eher kommunikationsorientiert, Website Chatbots eher Conversion-orientiert.

Cool, also zwei große Use Cases: Kommunikation und Conversion. Was glaubst du, wo die Reise hingeht? Werden wir künftig vermehrt mit Unternehmen chatten, statt E-Mails zu schreiben oder anzurufen?

Diese Frage haben wir uns auch immer wieder gestellt. Ich glaube, dass gerade bei informationsbedürftigen und beratungsintensiven Produkten eine Chance besteht, Kunden durch die Möglichkeit des Chattens zu begeistern. Denn wenn ich mich als Konsument im Medium “Chat” am wohlsten fühle und dort eine Beratung – automatisiert oder auch erstmal nur manuell – kriegen kann, dann wäre das definitiv mein präferierter Weg. Wenn das dann noch schnell, vielleicht eben weil automatisiert, funktioniert, umso besser (sofern sie inhaltlich richtig ist).

Würdest du dann auch über WhatsApp direkt zum Beispiel eine Versicherung abschließen? Hättest du das Vertrauen schon, dass die Beratung gut ist?

Stand jetzt definitiv nicht. Aber sobald der Social Proof da ist, also sobald du von Freunden hörst, die das schon gemacht haben und zufrieden sind, dann schon.

Aber nochmal zurück zu deiner Frage davor: Es gibt noch ein zweites Thema, nämlich Customer Care.

Willst du beispielsweise eine Pizza bestellen bei einem Laden, bei dem du schon mal bestellt hast, dann willst du nicht anrufen. Wir chatten einfach lieber… Voice Message ist vielleicht noch eine Option, aber telefonieren wollen wir nicht mehr. Und ich bin davon überzeugt, dass es ein kompletter Durchbruch wird, wenn die Technologie stimmt und es Unternehmen schaffen, sowas zufriedenstellend anzubieten. Die User Experience ist der Knackpunkt.

Joa, da kommt mir auch direkt die No-Click Order App von Domino’s Pizza in den Sinn. ;-)

Das heißt letztendlich, dass Nutzer entscheiden, ob es funktionieren wird oder nicht. Im Prinzip müssen Unternehmen einfach nur das liefern, was Konsumenten erwarten, die aber möglicherweise gar nicht wissen, was sie erwarten.

Um das ganze Thema nun abzurunden: Hast du Empfehlungen, wo sich jetzt Leute, die unser Gespräch hören oder lesen werden, zu dem Thema informieren können?

Definitiv die Messenger Marketing Conference und dann gibt’s einige coole Webinare von uns mit Partnern oder vom “Messenger Matze” – Matthias Mehner von MessengerPeople (der übrigens auch ein Buch geschrieben hat). Und ein Blick in unseren Blog schadet sicherlich auch nicht. ;-)

Felix, hab vielen Dank!

Foto: werk1.com

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Robert Weller

Robert ist Autor des Bestsellers „Content Design“ (Hanser Verlag), unabhängiger Content-Stratege und Gründer dieses Magazins (ehem. „toushenne.de“). Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.

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