Marketing wird zu häufig nur als Kostenstelle verbucht, da braucht es nicht auch noch Kampagnen wie den Negativzins der Onlinekreditplattform smava, die dieses Image noch verstärken. Doch dieser Gedanke entstand aus der Perspektive eines Marketers, der bekanntermaßen nicht im Fokus stehen sollte. Wie dieses Angebot auf die Verbraucher gewirkt hat, ist eine ganz andere und letztendlich die entscheidende Frage...
Als sich mir die Gelegenheit bot, ein Experten-Interview mit den Verantwortlichen von smava zu führen, habe ich nicht lange überlegt. Schließlich war ich selbst neugierig zu erfahren, welche Ziele hinter der Idee stecken, Geld zu verschenken, wie das Konzept der Kampagne aussieht und mit welchen Kosten die Aktion tatsächlich verbunden ist.
Mein Dank geht an dieser Stelle an Alexander Artopé, der sich die Zeit für meine Fragen genommen hat.
Details zur Kampagne
Werber: Das 2007 gegründete Unternehmen smava zählt inzwischen zu den größten Kreditmarktplätzen in Deutschland – neben Vergleichsportalen wie Check24 oder Finanzcheck.
Aktionszeitraum: 17. Juli 2017 bis 30. August 2017
Aktion: Ratenkredit für 1.000 Euro mit -0,4 % effektivem Jahres- und Sollzins. Der Verbraucher zahlt also im Endeffekt nur 994 Euro über eine Laufzeit von 36 Monaten zurück.
Ziel: Verbraucher für die extremen Preisunterschiede zwischen günstigen Online- und teureren Filial-Krediten sensibilisieren.
Alexander Artopé (Dipl.-Kfm., M.A.) ist Mitgründer und Geschäftsführer von smava, Deutschlands größtem Kreditportal. Bevor Artopé 2007 mit smava an den Start ging, war er Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des Software-Unternehmens datango, das an SAP verkauft wurde.
Wann entstand die Idee zur Kampagne? War es die logische Konsequenz zum Null-Prozent-Kredit 2015? Wer war alles daran beteiligt?
Die Idee zum Negativzins-Kredit entstand in einem gemeinsamen Ideenaustausch zwischen unserem Management-Team und der Banking-Abteilung. Der Null-Prozent-Kredit war der erste Schritt, um Verbraucher auf die Preisunterschiede zwischen den günstigen Online-Krediten und teuren Filial-Krediten aufmerksam zu machen. Mit dem Negativzins-Kredit wollen wir unser Statement nun noch deutlicher machen und die Deutschen für Preisunterschiede sensibilisieren. Insgesamt zahlen die Deutschen ca. 2,4 Milliarden Euro an Zinsen zu viel pro Jahr. Viele Bankkunden sind sich dessen jedoch gar nicht bewusst. Das wollen wir ändern. Die Mission von smava ist es, den Kreditmarkt transparent und fair zu gestalten. Wir verschaffen den Kunden einen Marktüberblick, sodass sie schnell und einfach den günstigsten Krediten finden.
Warum ist nur dieses eine Produkt, 1.000 Euro bei 36 Monaten Laufzeit, betroffen?
1.000 Euro ist der perfekte Betrag um beispielsweise einen teuren Dispokredit abzulösen. Dafür zahlen Verbraucher oft mehr als 8% Zinsen. Mit dem Negativzins-Kredit zeigen wir aber auch, dass der Abschluss eines Online-Kredits deutlich günstiger ist, als ein Kredit über die Hausbank.
Wie fielen die Verbrauchermeinungen zu dieser Aktion aus? Online sind schließlich überwiegend Nachrichtenseiten darauf eingegangen.
Die Verbrauchermeinungen sind bisher sehr positiv. Auch die große Berichterstattung in namhaften Medien hat den Erfolg des Produkts weiter unterstützt. Wenn bekannte Nachrichtenseiten wie Der Spiegel, Stern oder Focus verkünden, dass es sich um einen seriösen Kredit handelt, der bedenkenlos aufgenommen werden kann, dann stärkt das die Wahrnehmung des Kredits natürlich nachhaltig. Bereits in den ersten Wochen haben mehrere Tausend Leute den Kredit abgeschlossen.
Welche Distributionskanäle wurden für die Kampagne ausgewählt? Wie misst/bewertet smava den Erfolg der Kampagne?
Beim Negativzins-Kredit haben wir an erster Stelle auf PR gesetzt. Mein persönliches Highlight war, als mein Kommunikationsleiter mir am 18. Juli eine WhatsApp Nachricht mit der BILD-Titelstory geschickt hat. So eine Berichterstattung schaffen nur wenige Unternehmen. Und das sehr selten mit einer positiven Nachricht.
Wie profitiert smava zukünftig von diesem Aufmerksamkeitsschub? Sind anknüpfende Maßnahmen angedacht?
Auch zukünftig werden wir weiterhin regelmäßig auf die vorhandenen Preisunterschiede zwischen Online- und Filial-Krediten hinweisen. Klar wollten wir mit dem Negativzins-Kredit auch auf smava aufmerksam machen. Als Geschäftsführer hoffe ich persönlich natürlich, dass einige Kunden auch bei ihrer nächsten Finanzierung an uns denken werden.
Warum will smava die Aktion jetzt auch auf kleineren Blogs und Magazinen platzieren, die sich nicht zwangsläufig an potenzielle Kreditnehmer richtet, sondern, wie bspw. toushenne, an Marketingverantwortliche?
Die Kampagne zum Negativzins-Kredit hat deutschlandweit großes Aufsehen erregt. Uns haben viele Fragen zur Kampagne selber erreicht. Dabei kam das Interesse an der Kampagne nicht ausschließlich von potentiellen Kreditnehmern. Auch Leute, die aktuell keinen Kredit abschließen wollen, finden die Idee, die hinter dem Kredit steht, interessant. Das verwundert nicht, schließlich kommen die meisten Deutschen früher oder später im Leben einmal in die Situation, einen Kredit aufzunehmen – sei es für den privaten Konsum oder um beispielweise ein Auto zu finanzieren. Das Thema Kredit betrifft uns alle.
Welche konkreten Erfahrungen/Learnings aus der Kampagne können Sie mit anderen Marketern teilen?
Anhand der Kampagne wird wieder einmal deutlich, dass Erfolg eine Teamsache ist. Nur durch das integrative und erfolgreiche Zusammenspiel unterschiedlicher Abteilungen konnte die Etablierung des Negativzins-Kredits ein solcher Erfolg werden. Gerade bei so einem komplexen und umfangreichen Unterfangen ist es notwendig, mehrere Teams an der Konzeption sowie der Ausführung der Kampagne zu beteiligen. Nur wenn die Zusammenarbeit funktioniert und das Produkt sowie das Timing stimmen lassen sich langfristig Erfolge erzielen.
Fragen, auf die ich leider keine Antwort erhielt:
- Auf welcher Basis wurden die Distributionskanäle für die Kampagne ausgewählt?
- Wie effektiv war die TV-Werbung?
- Wäre es nicht vorteilhaft gewesen, bspw. durch weiterführenden Content zu Themen wie Finanzierung, Geldmarkt etc. langfristig ein festes Publikum aufzubauen?
- Sieht sich smava mit dieser Kampagne als Vorbild für andere Marketer?
Weitere Experten-Interviews bei toushenne
Wie ich eingangs schon erwähnte, geht es im Marketing nicht um den Sender, sondern den Empfänger. In diesem Sinne freue ich mich sehr über dein Feedback, ob du an weiteren Interviews mit Marketing-Verantwortlichen interessiert bist.
Ich bin überzeugt davon, dass wir sowohl von kleinen als auch großen Unternehmen lernen können. Mit diesem Format will ich die Ideen, Methoden und Strategien verschiedenster Unternehmen erörtern und so aufbereiten, dass du sie auch für dein Business anwenden kannst.
Weitere Gespräche sind mit Adobe und Microsoft bereits Arbeit. ;-)
Meine Erkenntnis aus diesem Interview bzw. dieser Kampagne:
- Teamwork ist ein entscheidender Erfolgsfaktor.
- Wir sollten nicht aufhören zu kommunizieren, nur weil eine Aktion zu Ende ist. Vielmehr sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie bzw. bei welcher Zielgruppe wir als Werber weiterhin relevant bleiben können und wie wir an vorangegangene Aktionen anknüpfen können.
Aber: Wir sollten dabei nicht so viel über uns reden, sondern darüber, wie andere durch unsere Erfahrung profitieren können. (Sorry, für diesen Seitenhieb.) - Ich muss meine Fragen konkreter formulieren und dich als Leser in Zukunft früher einbinden. :-)
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Robert ist Autor des Bestsellers „Content Design“ (Hanser Verlag), unabhängiger Content-Stratege und Gründer dieses Magazins (ehem. „toushenne.de“). Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.