Als Content-(Marketing-)Verantwortliche sind wir immer offen für pragmatische Lösungen, um die Wirkung von Content nachzuweisen. Denn das eine System gibt es leider nicht. So verschieden wie die Ziele sein können, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen an die Erfolgsmessung. Das merken wir spätestens dann, wenn wir übergeordnete (finanzielle) Business-Ziele auf konkrete (operative) Content-Ziele herunterbrechen und sinnvolle Metriken definieren wollen.
Genau da kommen Treiberbäume – im Englischen “Driver Trees” oder auch oft “KPI Trees” genannt – ins Spiel. Nicht nur sind sie eine hervorragende Visualisierung der Wertschöpfungskette, sondern sie helfen uns auch dabei, die richtigen Metriken pro Content-Maßnahme zu definieren und Einflussfaktoren zu identifizieren.
In diesem Artikel erfährst du, welche Vorteile Treiberbäume bieten, wie du sie erstellst und wie du sie für die Analyse und zielgerichtete Optimierung deiner Inhalte nutzen kannst.
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Was sind Treiberbäume? Eine Definition.
Ein Treiberbaum visualisiert als Baumdiagramm, welche Kennzahlen voneinander abhängen und die Zielerreichung vorantreiben. Treiberbäume sind ein bewährtes Analyseverfahren, um die richtigen Kennzahlen zu erheben und die Erfolgsfaktoren zu bestimmen.
Curtis Stanier, Director of Product bei Delivery Hero und ehemals HelloFresh, beschreibt Treiberbäume in seinem Blog als eine Karte, die zeigt, wie verschiedene Metriken in einer Organisation zusammenpassen (Stanier, 2020), und erklärt:
On the far left, you have an overarching metric you want to drive. This is the ultimate goal you want all the teams to be working towards. As you move to the right, you become more granular in terms of how you want to achieve that goal. Each branch gives you an indicator of the component parts that make up the “what” above them.
Das heißt: Ausgehend von einem übergreifenden Ziel (oft durch eine “North Star Metric” beschrieben¹) auf der linken Seite, das für die gesamte Organisation gilt, wird es mit jeder zusätzlichen Ebene – oder Verästelung, um bei der Metapher eines Baums zu bleiben – nach rechts immer konkreter, welche (operativen) Maßnahmen nötig bzw. möglich sind, um dieses Ziel zu erreichen.
Was wir dabei fast automatisch tun, ist eine Brücke vom Wollen zum Tun schlagen; von Business-Zielen und -Kennzahlen zum Verhalten. Schau genau hin: Wollen wir Gewinne erzielen, müssen bspw. mehr Menschen unsere Produkte kaufen (=Kauf- bzw. Konsumverhalten) oder wir müssen unsere Aufwände reduzieren.
Im Endeffekt hält ein Treiberbaum also einerseits fest, was wir tun müssen, um ein Ziel zu erreichen, und andererseits wie wir diese Arbeit messen können. So versteht jedes Team, jede Person in einem Unternehmen, welchen Einfluss ihre Arbeit auf den Gesamterfolg haben.
Wir können Treiberbäume auch für persönliche Ziele skizzieren. Wer bspw. „fit sein“ will, kann die verschiedenen Möglichkeiten einzeichnen und sich zunächst für einen Aktivitätsstrang entscheiden. Denn wir wissen alle: Alles auf einmal schaffen wir nicht. Wir brauchen Gewohnheiten, um solche Ziele zu erreichen.
Aber das nur am Rande… vielleicht hilft es dir ja bei deinen persönlichen Zielen im Leben. ;-)
Das Ganze lässt sich – du ahnst es sicherlich schon ;-) – problemlos auf Content bzw. Content Marketing übertragen. Ein simples Beispiel, wie unten abgebildet, ist der Einfluss der Newsletter-Anmeldeseite auf das übergeordnete Ziel die Anzahl der monatlichen Besucher:innen zu steigern. Durch den Treiberbaum sehen wir sofort, was dazwischen alles passiert – und, wenn wir den Treiberbaum vervollständigen, auch drumherum.
Wir erkennen Zusammenhänge, Einflüsse und, sobald wir das Bild quantifizieren (dazu gleich mehr), auch Engstellen und folglich Optimierungspotenziale.
Ganz schön viel, für so ein einfaches Tool… Aber alles der Reihe nach.
Vorteile von Treiberbäumen: Welcher Nutzen entsteht uns dadurch wirklich?
1. Verständnis
Was bringt Content? Was funktioniert, was nicht? Wo liegt das Problem? Wo liegt das Problem wirklich? An welcher Stelle können wir optimieren?
Treiberbäume sind ein nützliches Tool, um die Komplexität in Organisationen zu reduzieren – zumindest auf Papier – und um zu visualisieren, wie einzelne Bereiche, Ziele und Maßnahmen zusammenwirken (oder auch nicht). Diese Klarheit ist für alle im Unternehmen wertvoll, nicht nur für Content-Verantwortliche die teilweise sehr operative, das heißt vor allem quantitative Output-Ziele erreichen müssen. Denn erst wenn alle verstehen, dass Content weit über das eigene Team hinaus wirken kann, verschiebt sich das Mindset in der gesamten Organisation von Output- zu Outcome-orientiertem Arbeiten. Dann geht es nicht mehr nur um die Anzahl der publizierten Artikel, die Anzahl neuer Newsletter-Abonnent:innen oder Impressionen einzelner Seiten; dann geht es vielmehr um die Wahrnehmung der Marke durch Content, um Glaubwürdigkeit und Vertrauen und letztendlich um die selbstbestimmte Zukunft des Unternehmens.
Dieses Big Picture bringt uns zum zweiten Vorteil von Treiberbäumen.
2. Fokus
Durch die Klarheit über die teils komplexen Wirkungsmechanismen von Content im Marketing und übergreifendem Business-Kontext können wir uns auf die Stellen im System fokussieren, die das größte Potenzial versprechen.
Ein einfaches Beispiel: Eine gut besuchte Seite (hier: die Newsletter-Anmelde-Seite) brauchen wir womöglich nicht weiter für Suchmaschinen oder Onpage-Traffic zu optimieren. Wenn Besucher:innen auf der Seite jedoch nicht unserem Call-to-Action folgen (hier: die Anmeldung zum Newsletter) dann ist das ein potenzielles Handlungsfeld für die Optimierung.
Die zentrale Frage: Warum konvertieren Besucher:innen nicht?
Durch eine gründliche Analyse auf Basis des 7-Ebenen-Modells, Heatmaps (der Einzelseiten) & Clickmaps (der E-Mails) oder Session Recordings können wir der Ursache auf den Grund gehen. Denn ähnlich wie Web Analytics Tools verrät uns auch ein Treiberbaum nicht, wieso die Zahlen so sind wie sie sind. Wir müssen trotzdem die relevanten Fragen stellen. Verstehen Besucher:innen, was sie im Newsletter erwartet? Ist das überhaupt erstrebenswert? Haben sie Bedenken, die nicht ausgeräumt werden? Wie leicht ist es, das Formular auszufüllen? Wie leicht fühlt es sich an? Gibt es technische Fehler im Formular? Anschließend können wir Hypothesen zur Steigerung der Conversion Rate auf der Newsletter Sign-up Page formulieren.
Wie steht es um meine Newsletter-Anmeldeseite? Bist du schon angemeldet? Was hält dich davon ab? Schreib mir gerne eine Mail oder Nachricht via LinkedIn.
Der dritte Vorteil ergibt sich in gewisser Weise aus dieser Klarheit:
3. Alignment
Wie kann Content den Vertrieb unterstützen? Wie kann der Kundenservice Content nutzen, um die Zufriedenheit der Kund:innen zu verbessern? Welchen Einfluss hat Content auf den Unternehmenserfolg?
Nur weil ich vier Artikel pro Monat publiziere oder eine interne Click-Through-Rate (CTR) von 23,6 Prozent habe, kann ich noch nicht behaupten, das übergeordnete Ziel „Unternehmenswachstum“ erreicht zu haben. Aber: Es sind die vielen kleinen Maßnahmen dieser Art, die sich in ihrer Wirkung summieren. Und vier Artikel pro Monat beeinflussen diese Summe eben anders als es drei, fünf oder zehn tun würden.
Da wir die einzelnen Summanden kennen (ja, manchmal hilft es wirklich, die Situation wie eine mathematische Gleichung zu betrachten), können wir nun gemeinsam, d. h. Team-übergreifend (etwa SEO, Content & E-Mail-Marketing) entscheiden, welchen Handlungssträngen wir mit den verfügbaren Ressourcen folgen wollen und welchen nicht – weil wir jetzt simulieren können, wie sich einzelne Veränderungen auf das Gesamtergebnis auswirken würden.
Business Case Simulation auf Basis von Treiberbäumen
Was wäre, wenn wir 10 % mehr Klicks generieren? Was wäre, wenn wir die Conversion Rate um 0,3 % verbessern können? Was wäre, wenn externe Dienstleister ihre Preise um 5 % anheben (z. B. Preis pro Text)? Was wäre, wenn wir Content 20 % schneller produzieren kann?
Genau diese Frage können wir durch Beispielrechnungen simulieren. Zwar braucht es dafür genau genommen keinen Treiberbaum, der hilft aber wie gesagt, um diese Wirkungskette überhaupt erstmal zu beschreiben …
Durch eine solche Simulation erkennen wir schnell, welche Maßnahmen welchen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben. Wir können damit quasi sagen, ob „mehr Klicks“ oder „eine höhere Conversion Rate“ mehr bringen als „mehr Content“. Auf Basis dessen und mit Blick auf das jeweils nötige Investment (Zeit/Geld) können wir unsere geplanten Aktivitäten und damit auch Content-Ideen priorisieren.
Klar, eine höhere Anzahl an E-Mails pro Monat könnte sich negativ auf Öffnungs- und Klickraten auswirken, das wissen wir aber erst, wenn wir es getestet haben. Die Kalkulation hilft uns, genau diese Veränderungen zu quantifizieren und insgesamt zu optimieren.
Ich empfehle dir hierzu auch die Lektüre von Martin Szugats Artikel bei Marketing-BÖRSE. Mit seiner Marke „Datentreiber“ hat er sich ja genau zu diesem Thema erfolgreich positioniert und bietet mit seinem Canvas nützliche Tools, um sich dem Ganzen praktisch anzunähern.
Insight: So nutzen wir Content bei konversionsKRAFT
Anfang 2022 haben wir die Teamstruktur bei konversionsKRAFT verändert, in zweierlei Hinsicht:
Zum einen habe ich meinen Posten als Director Community & Education verlassen, um mich voll und ganz auf Content als strategisches Business Asset zu fokussieren. Du musst wissen, konversionsKRAFT ist eine echte „Content Brand“, die sich durch den Blog etabliert hat – das Unternehmen, das dahinter steht, trägt erst seit 2021 denselben Namen.
Zum anderen hatte das zur Folge, dass wir daraufhin drei Teams (Marketing und unsere „Enabling Unit“) zusammengeführt haben, mit dem Ziel, den roten Faden vom Erstkontakt bis hin zum Erstprojekt neu zu gestalten.
Diese Struktur ermöglicht es uns, Content gezielt einzusetzen:
- zur Steigerung der Sichtbarkeit und Markenwahrnehmung
- um Interesse an den Themen Experimentation (vor allem A/B-Testing) und Digital Experience Optimization zu wecken
- um potenzielle Kunden von unserem Know-how, unserer Erfahrung und unserer Arbeitsweise zu überzeugen
Kurzum: Für uns ist Content ein wichtiges Bindeglied, um Zusammenhänge aufzuzeigen, typische Probleme zu adressieren und Lösungsvorschläge zu präsentieren. Nicht nur, um Neukunden zu gewinnen, sondern auch um Bestandskunden und den Markt insgesamt weiterzuentwickeln.
Oder um es in den Worten meiner Kolleg:innen zu sagen:
Der Treiberbaum hat unseren Wunsch sichtbar gemacht, dass wir die Zusammenhänge und Stellschrauben erkennen und steuerbar machen wollen. Er hat auch nochmal die Verbindungen im Team sichtbar gemacht.
Mittels Treiberbäumen können wir dien Zusammenhang im Großen und Ganzen darstellen, sodass jeder:r von uns weiß, wie er oder sie darauf einzahlt. Sei es durch steigenden (organischen Traffic), eine wachsende und aktiver werdende Community (#Werbung), immer „reifer“ werdende Kunden (ja, wir sind stets bemüht den Reifegrad von Unternehmen in puncto Experimentation auch durch Content zu steigern) oder spannende Projektanfragen.
Content ist ein wichtiger Treiber für all dies.
Tipps für die visuelle Gestaltung von Treiberbäumen
Ich sage ja immer: Design folgt nicht Funktion, Design ist eine Funktion. Das wird mit Blick auf die folgenden drei Gestaltungstipps hoffentlich deutlich:
- Linienart – Nicht immer kennen wir alle Einflussfaktoren, oft sind es Vermutung bzw. Hypothesen, die wir auf Basis von User Research (Interviews, Umfragen, Customer Journey Mapping etc.) aufgestellt haben. In so einem Fall zeichnen wir die Äste des Treiberbaums mit gestrichelten Linien. Nur da, wo wir sicher sind – weil eine „mathematische Beziehung“ besteht (siehe das Beispiel unten) und uns die Daten vorliegen – ziehen wir die Linien durch.
Darüber hinaus kannst du bspw. Metriken, die Bestandteil voneinander sind, durch eine Doppellinie kennzeichnen. „Visitors“ und „Returning Visitors“ wären ein Beispiel dafür, denn letztere sind ein Teil der ersten. - Highlighting – Im Beispiel unten siehst du, dass ich durch die Liniendicke und Farbflächen einen konkreten Zweig hervorgehoben habe. Auf diese Weise kannst du bspw. highlighten, welches der für dein Business wichtigste ist oder worauf du dich in einem bestimmten Planungszeitraum zur Optimierung fokussieren wirst.
- Kategorisierung – Ab einer gewissen Größe kann es helfen, einzelne Bestandteile eines Treiberbaums zu kategorisieren und entsprechend visuell zu kennzeichnen – durch Farbe, Form oder zusätzliche schriftliche Informationen z. B. in Form von Tags. Bernie Smith unterscheidet in einem seiner Erklärvideos bspw. Strategie (grün), Thema (gelb), Taktik (violett) und KPI (blau):
Wichtig ist, egal wie du deinen Treiberbaum gestaltest, dass die visuelle Kennzeichnung verständlich ist. Ergänze also im Zweifelsfall eine Legende oder kurze Beschreibung, damit auch Unbeteiligte sofort verstehen, was mit der jeweiligen Auszeichnung gemeint ist.
Tool-Tipps zur Erstellung von Treiberbäumen
Meine Empfehlung ist ganz klar Miro – nicht zuletzt aufgrund der direkten Integration von Tools wie Google Meet, was die Zusammenarbeit erheblich verbessert. MURAL, Figjam (von Figma), Jamboard (von Google), Visio (von Microsoft) oder Whimsical als Alternativen geht aber natürlich auch. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Flowchart-Tools wie MindMeister, die ähnliche Funktionalität bieten, aber oft nicht ganz so flexibel sind wie die genannten Whiteboard-Lösungen.
So nutzt du Treiberbäume, um die Effektivität deiner Inhalte zu analysieren und den Content-ROI zu steigern
Betrachten wir das obige Beispiel mit dem Ziel, die Zahl der monatlichen Besucher:innen zu steigern, und ergänzen nun die Messwerte aus dem Zahlenbeispiel, so können wir vermeintliche Engstellen und damit Optimierungspotenziale auf Anhieb erkennen.
Der Gedankengang könnte dabei so, oder so ähnlich klingen:
1.000 Pageviews sind schon echt gut, dafür, dass wir ausschließlich intern auf unsere Newsletter-Anmeldeseite verweisen und keine externe Kampagne laufen haben. Die Conversion Rate liegt allerdings gut 3 % unter dem Durchschnitt unserer anderen Formulare. Auf Anhieb haben wir viele Ideen, was wir auf der Anmeldeseite verbessern könnten, um die Anmelderate zu steigern. Zudem schätzen wir das Risiko einer sinkenden Öffnungs- und folglich auch Klickrate hoch ein, wenn wir die Frequenz des Newsletters erhöhen.
Diese Gedanken solltest du im Team natürlich diskutieren, um Veränderungen schließlich auf Basis von Hypothesen vertesten zu können – in diesem Fall solche, um die Conversion Rate auf der Anmeldeseite zu verbessern. Lies dir dazu unbedingt auch meinen Artikel über Content-Testing durch!
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Robert ist Autor des Bestsellers „Content Design“ (Hanser Verlag), unabhängiger Content-Stratege und Gründer dieses Magazins (ehem. „toushenne.de“). Daneben lehrt er Content-Marketing an der FH JOANNEUM sowie Content Design an der ZHAW. Mit über zehn Jahren Erfahrung aus dem Agenturgeschäft, E-Commerce- & SaaS-Unternehmen sowie zahlreichen Freelance-Projekten mit führenden Marken wie Adobe, Bike24 und contentbird, entwickelt er wirksame Strategien für die Optimierung des Content ROI.